Wer sonst nur in angesagten Bezirken wie dem Friedrichshain, Mitte, Kreuzberg oder in der aufgeräumten City West unterwegs ist, der fühlt sich im Herzen des Weddings fast wie aus der Zeit gefallen. Hier gibt es sie noch, Straßen mit unsanierten Altbauten, in denen sich die Nachbarn von Balkon zu Balkon etwas zurufen, kleine Läden, die scheinbar ohne Business-Plan elektronisches, altes oder einfach überflüssiges Zeug verkaufen, ältere Damen, die sich vom türkischen Gemüsehändler den Einkaufstrolley füllen lassen – und dazwischen viele ganz entspannte Berliner, die sich auch ohne Smartphone, schickes Rennrad oder sonstige Hipster-Accessoires auf die Straße wagen.
Darüber hinaus lassen das lebhafte Gedränge auf den Gehwegen, das an vielen Stellen exotische Sprachgewirr und die vielen ausländischen Läden bei schönem Wetter fast ein bißchen Urlaubsfeeling aufkommen. An manchen Stellen stoßen die kleinen, von Passanten umringten Terrassen günstiger argentinischer Steakrestaurants, türkischer Dönerläden und chinesischer Schnellimbisse direkt aneinander. Und gleich nebenan treffen sich im Çarik Kuruyemis waschechte Berliner und türkische Geschäftsmänner, um für den Hausgebrauch einige exotischen Leckereien oder Nussspezialitäten zusammenzustellen oder im angeschlossenen Restaurant landestypische türkische Spezialitäten zu genießen.
Die beschaulichen Ecken im Kiez
Doch auch wer sich lieber abseits vom Trubel auf den großen Hauptstraßen bewegt, kommt in diesem Teil des Weddings auf seine Kosten. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Abstecher auf den beschaulichen Urnenfriedhof Seestraße? Auf dem 1895 angelegten, mehr als fünf Hektar großen Areal können Besucher die vielen Eindrücke aus dem geschäftigen Kiez verarbeiten und eine kleine Zwischenrast einlegen.
Auch im angrenzenden afrikanischen Viertel geht es eher beschaulich zu. Die Straßennamen im Wohngebiet erinnern an einen von Carl Hagenbeck vor dem Ersten Weltkrieg geplanten Tiergarten, der die Artenvielfalt auf dem afrikanischen Kontinent repräsentieren sollte und niemals realisiert wurde. Viele der althergebrachten, an die Kolonialzeit erinnernden Straßennamen, etwa der Name der „Lüderitzstraße“, sorgen heute für Kontroversen.
Die afrikanische Community, die sich in den vergangenen Jahren im Viertel niedergelassen hat, scheint sich daran nicht zu stören. Viele der Zugezogenen haben im Kiez zwischen Seestraße und Volkspark Rehberge kleine, exotische Läden eröffnet, die bei einem Kiezspaziergang erkundet werden wollen. Auch andere Geschäfte, etwa das neu eröffnete Eiscafé Kibo in der Transvaalstraße oder die schon seit langem im Kiez beheimatete Töpferei Schwarz, lohnen einen Besuch. Dabei geht es im Kiez jederzeit ganz entspannt zu und für das eine oder andere Schwätzchen findet sich immer Zeit. Er ist eben ganz erholsam – so ein Besuch im Wedding.