„Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“, sprach DDR-Staatschef Walter Ulbricht am 15. Juni 1961 und wurde zwei Monate darauf als Lügner enttarnt. Während die ersten Steine aufeinander gesetzt wurden, spielten sich bereits Dramen ab, unzählige folgten in den gut 28 Jahren, die die Mauer stand. Etwa 140 Menschen starben allein an der Berliner Mauer. Wer kommt also auf die Idee, diesem Horror zu einem Comeback zu verhelfen? DAU heißt das Film-Kunstprojekt des russischen Regisseurs Ilya Khrzhanovsky, das mit dem Mauerbau rund um das Kronenprinzenpalais seinen Höhepunkt erreichen soll.
Geheime Planungsphase
Ursprünglich sollte das Projekt wohl geheim gehalten werden. Warum es nun an die Öffentlichkeit gegeben wurde, lässt sich nur schwer nachvollziehen. Eine werbende Absicht dahinter zu vermuten, ist allerdings sicher nicht sooo falsch. Was wir sonst noch wissen: Die Mauer wird dieses Jahr nach der Einheitsfeier am 3. Oktober um das Kronprinzenpalais hochgezogen und am 9. November wieder eingerissen werden. In dem Areal hinter der Mauer werden Angstmechanismen der Stalin-Zeit und harte DDR-Kontrollen zu erleben sein. Wer damals dabei war, weiß, dass das kein Vergnügungspark-Niveau hatte. Es war beklemmend und vor der Willkür der Beamten konnten sogar Westbürger nicht sicher sein.
Filmdreh als Systemexperiment
Wer sich auf die Schikanen von DAU einlassen will, sollte vielleicht noch wissen, dass die Dreharbeiten zu dem gleichnamigen Spielfilm DAU wirklich krass gewesen sein sollen. Komparsen und Darsteller lebten fast zwei Jahre in einem der Stalin-Zeit nachempfundenen Institut und wurden rund um die Uhr gefilmt. So gab es Denunziationen, Liebschaften, krude Machtstrukturen und Intrigen – ganz ohne Drehbuch. Ob aus dem schier endlosen Material jemals das geplante Biopic über den sowjetischen Physiker Lev Landau entstehen wird, ist fraglich. Ilya Khrzhanovsky gilt sogar als größenwahnsinnig und perfide…
Tourismus-Highlight
Trotz aller Gerüchte und Spekulationen scheint das Projekt von seriösen Stellen gefördert zu werden. Den Film unterstützen X-Filme und das Medienboard Berlin-Brandenburg, zu den Produzenten gehört Philippe Bober, der ja durch Lars von Trier und Uli Seidl Extreme gewöhnt sein dürfte. Für das dazugehörige Kunst-Projekt treten die Berliner Festspiele als Veranstalter auf, die die Pläne übrigens offengelegt haben. Ursprünglich sollte die Mauer letztes Jahr schon um die Volksbühne herum errichtet werden, nun sind für diesen Herbst zeitgleich Aktionen in Berlin (Freiheit), Paris (Gleichheit) und London (Brüderlichkeit) geplant. Das Zustandekommen hängt also an den Politikern, die ausstehende Genehmigungen erteilen müssen. Wir wissen nicht ganz, ob wir hoffen sollen, dass die Mauer bald wieder steht…