Allein sein Aussehen könnte ein Statement sein. Er muss nur dastehen, schon hätte man eine gute Schlagzeile dank seines weißen Rauschebarts und des zotteligen Haars. Sagen wir: „Dahlemer Karl Marx besucht Luxussiedlung.“
Er schmunzelt nur und sagt: „Nee, lassen wir mal.“
Truman Plaza gibts nicht mehr, nur Fünf Morgen
Burkhard Zimmermann, der Mann mit dem weißen Bart und den sanften grünen Augen im freien Teil seines Gesichts, ist in das „Wiener Café“ an der Clayallee gekommen, um über die Truma Plaza zu reden. Direkt vor der Haustür fängt die neue Siedlung an. Zimmermann ist ein linker und engagierter Sozialdemokrat, seit 30 Jahren Vorsitzender der Dahlemer SPD. Aber eines wird er jetzt ganz bestimmt nicht tun: diesen Ort verdammen. Was er aber sagt, weil er sich hier auskennt, weil er hier seine Jugend und den größten Teil seines nunmehr 65-jährigen Lebens verbracht hat: „Die neuen Bewohner werden diesen Kiez verändern.“ Er lächelt wieder und fügt hinzu: „Fragt sich halt nur, wie…“
Die alten Zeiten sind auch hier schon lange vorbei. Aber man muss sich an sie erinnern, um zu verstehen, welchen Charakter dieser einst von der US-Army geprägte Ort einmal besaß. Zimmermann denkt gerne an die Amerikaner, vor allem daran, „dass sie sehr viele Kinder hatten und sehr kinderfreundlich waren“. Das hat ihm imponiert.
Die Truman Plaza, benannt nach dem früheren US-Präsidenten Harry S. Truman, war US-Kerngebiet, die Infrastruktur angelegt wie eine Stadt in der Stadt. Mittelpunkt war der riesige PX-Supermarkt („Post-Exchange“), in dem die Soldaten steuerfrei einkaufen konnten, dahinter die Buszentrale, außerdem: der Jugendklub. Das Cole Sports Center mit dem Basketballfeld und der Bowlingbahn. Die CIA am Hüttenweg. Das alte Hauptquartier samt Militärgefängnis auf der anderen Seite der Clayallee, wo heute nur noch das Konsulat steht. Das Kino Outpost. Der Radiosender AFN. Und so vieles mehr.
Später, als die Amerikaner weg waren, durften viele Einrichtungen nicht benutzt werden. Zimmermann muss schon wieder lachen: „Die Bowlingbahn und die Basketballkörbe entsprachen nicht den deutschen Tüv-Vorschriften.“ Am meisten aber vermisste Zimmermann diese „Lockerheit der Amerikaner in einem immer sehr stur-konservativen Milieu“. Ein Beispiel für diese Sturheit war der Widerstand gegen die heute sehr beliebte Wilma-Rudolph-Schule, die aus der amerikanischen High-School hervorgegangen war. „Sie wurde vom Bezirk bekämpft, weil man hier keine Gesamtschule wollte.“
Das Deutsch-Amerikanische Volksfest war beliebt
Zimmermann erinnert sich aber auch an die eher unheimlichen Seiten dieser Gegend: In der Tempo-30-Zone etwa fuhr man keinen Kilometer schneller, denn sonst, sagt Zimmermann, „war die MP zur Stelle“, die Militärpolizei. Nach der Wende und dem Abzug der Alliierten tat sich lange nichts, viele Gebäude wurden abgerissen, und der Rest der Truman Plaza verkam zur Brache, nur einmal im Jahr genutzt für das Deutsch-Amerikanische Volksfest. Bis die Investoren kamen. Burkhard Zimmermann, der seit mehr als 30 Jahren Jugendfahrten mit den Falken und dem Kinderring veranstaltet und für diese Arbeit mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde, sagt: „Wenn ich meine Leute frage, dann finden viele das auch schön, was hier entsteht.“
Giovanna Stefanel, Tochter des Gründers des bekannten Modehauses, formulierte ihre Vision als Artdirektorin für „Fünf Morgen“ einmal so: „Wir wollen ein Stück Dorf in der Stadt kreieren, das ist die Philosophie … Wir wollen den Menschen schon einen Luxus geben: Und zwar die Zeit. Sie leben dort in einer friedlichen Umgebung mit kurzen Wegen für Einkäufe, Freizeit, Fitness. Für alle diese Bedürfnisse ist dort gesorgt, ein Fitnesscenter, der See, die Geschäfte. Gerade für eine Frau wird das Leben dort schön. Außerdem wollen wir eine warme, schöne Architektur. Und ich denke, wir werden das wirklich schaffen. Eine eigene Community.“
Zimmermann hofft auf jüngere, lockere Anwohner
Eine eigene Community – das ist im Prinzip das, was Burkhard Zimmermann eher fürchtet. Er sagt: „Die Abgeschlossenheit erfüllt womöglich ein Bedürfnis, für die Entwicklung eines Kiezes ist sie eher hinderlich.“ Er hat den Eindruck, dass gerade die neuen Bewohner besonders abgeschottet sein wollen. Der 64-jährige Zimmermann weigert sich aber „nur rumzumeckern“ und hofft darauf, dass es ja auch gut ausgehen könnte für diesen Ort, wenn im besten Fall die neuen Bewohner Zehlendorf nicht nur jünger, sondern auch ein wenig „lockerer“ machen – so wie einst die Amerikaner.