Man merkt sofort: Das Videodrom ist mit ganz viel Liebe gemacht. Es gibt keine schmuddelige Porno-Ecke, stattdessen persönliche Empfehlungen auf DVD-Hüllen, eine Sitzecke und handgemachte Regale. Wir fühlen uns in dieser Videothek im Bergmannkiez eher wie in einem guten Buchladen. Dazu passt die tolle Beratung. Davon überzeugt uns Christine Pursch sofort. Sie steht heute hinter dem Tresen und rät ihren Kunden auch mal von einem Film ab, der auf einer Party laufen soll, der aber definitiv die Stimmung drücken würde.
Gerade erklärt sie am Telefon, warum sie eine ganz besondere Aufnahme einer Theater-Aufführung ausnahmsweise nicht für das Archiv der Videothek bestellen könne – zu teuer für zu wenig Nachfrage. Dabei hört man hier eigentlich selten ein „Nein, haben wir nicht“. Stattdessen heißt es: „Ja, haben wir“ oder „Haben wir nicht, aber bestellen wir gerne“. Da ist es egal, ob der Kunde nach einem Horrorfilm aus Japan, nach einem Arthouse-Film in Originalsprache, einem Stummfilm oder der unbearbeiteten Original-Kinofassung von Star Wars fragt. „Die Spezialität des Videodroms war immer, dass wir viele Spezialitäten haben„, fasst Christine zusammen. Und dann klingelt schon wieder das Telefon, außerdem knarrt dauernd die Tür, Filme werden zurückgebracht und ausgeliehen. Scheint gut zu laufen, warum schreibt das Videodrom auf Facebook, man brauche unbedingt Unterstützung, mehr Geld?
„Das ist ja hier nicht nur ein Hobby“
Seit 1984 betreibt der Musiker und Aktivist Karsten Rodemann aka Graf Haufen mit seinem Team aus Filmliebhabern die Videothek in Kreuzberg. Der aktuelle Laden ist die dritte Adresse im Bergmannkiez, dort möchte man auch bleiben. Ausnahmsweise ist mal nicht die Gentrifizierung Schuld an der aktuellen, finanziellen Not der Betreiber – jedenfalls nicht direkt.
Die Staffelmiete sei natürlich teuer, überhaupt stiegen sämtliche Kosten für den DVD-Verleih permanent an. Aber das Hauptproblem ist natürlich: In Zeiten des Online-Streamings bleiben die Kunden weg. Den Hochsommer und die Fußball-WM fürchtet das Videodrom-Team sowieso. Beides steht dieses Jahr noch bevor, obwohl die Einnahmen schon jetzt kaum die laufenden Kosten decken. „Wir können nicht mehr“, erklärt Christine. Das Videodrom sei immerhin kein Hobby, sondern das Team lebe von der Arbeit – und für die Arbeit. Es kam schon vor, dass ein Stammkunde in den Armen der Mitarbeiter schluchzte oder dass ein Regisseur sein verloren geglaubtes Werk hier gefunden hat, das es nur noch auf Video gab. Überhaupt lauern hier in vielen Kisten Filme, die es nicht digital gibt und die ohne die Arbeit des Videodroms wohl verloren gehen.
Mit dem aktuellen Hilferuf auf Facebook möchte die Videothek nun auch sehen, „ob die Leute uns noch brauchen“, erklärt Christine. Das Feedback ist bisher positiv; von einigen Kommentare abgesehen, die Videotheken generell für tot halten. Unterstützer fragen, wie sie helfen können. Spenden ist nur eine Antwort auf diese Frage. „Wir wollen ja, dass die Leute auch etwas für ihr Geld bekommen“, sagt Christine und verweist auf die Club-Mitgliedschaft im Videodrom. Für 25 Euro im Monat kann man täglich einen Film leihen, der sonst für 3,60 Euro am Tag über den Tresen geht. Außerdem gibt es Zehner-Karten und bald wohl auch Patenschaften für Filme. Das alles ist natürlich nachhaltiger als eine Überweisung. Immerhin wollen Christine und auch der Graf noch bis zur Rente im Bergmannkiez besondere, geliebte und anderswo vergriffene Filme unter die Leute bringen.
Wenn du der Videothek in Kreuzberg helfen möchtest, dann leih‘ dort am besten Filme, was das Zeug hält! Mehr Infos zur Videothek und zur Clubmitgliedschaft findest du auf der Webseite vom Videodrom.