Diese Woche wird es aufregend für den Bezirk Mitte. Eine Jury entscheidet, inwieweit das Großprojekt Stadtschloss seine Umgebung aufwerten wird. Beim Wettbewerb zur Gestaltung des Schlossumfeldes müssen sich die internationalen Landschaftsarchitekten an die Vorgaben halten, die zurzeit von der Jury ausgearbeitet werden. Noch im Sommer wird die Ausschreibung für die landschaftliche Gestaltung des 600 Millionen Euro Projektes beginnen.
Senatsbaudirektorin Regula Lüscher hat bereits eine Präferenz: Der Platz um das Schloss soll modern gehalten werden. Den Wiederaufbau des ursprünglichen Schlossplatzes sowie die Wiederkehr der damals dort befindlichen Denkmäler, zum Beispiel Neptunbrunnen oder Rossebändiger, wies sie zurück. Ihre strikte Haltung macht schon aus dem Auslobungstext des Wettbewerbs eine schwerwiegende Angelegenheit.
Auch die Finanzierung einer Rekonstruktion stelle ein Problem dar, meinte Lüscher im Abgeordnetenhaus. Nun ist die Frage offen, ob sich die vorgefertigte Meinung auf die Ausschreibung des Wettbewerbs niederschlägt.
Alt gegen Neu
Doch die Entscheidung liegt nicht allein bei der Senatsbaudirektorin, sondern auch bei der Jury. Angeblich habe sich der Regierende Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) dafür stark gemacht, Kulturstaatssekretär André Schmitz (SPD) im Gremium zu platzieren. Der hatte sich bereits öffentlich als Verfechter einer Rekonstruktion des historischen Marienviertels gegen die damalige Senatorin für Stadtentwicklung Ingeborg Junge-Reyer (SPD) gestellt.
Will er jetzt gegenüber Senatsbaudirektorin Lüscher dieselbe Haltung annehmen? „Dass der Staatssekretär für die Berücksichtigung von historischen Bezügen wirbt, ist bekannt“, sagt Schmitz’ Sprecher Günter Kolodziej. Es sei gut, dass im Ausschreibungstext sowohl die historische Variante als auch moderne Projekte ihre Vorteile aufzeigen könnten.
In der Jury sitzt auch Manfred Rettig, Vorstand der Stiftung Berliner Schloss Humboldtforum, welche die moderne Variante des Schlüterbaus verantwortet. Bis jetzt liege ihm keine Rohfassung für den Ausschreibungstext zur Umfeldgestaltung vor. Der endgültige Inhalt werde bei einem Treffen mit allen Jury-Mitgliedern entschieden. Rettig protestierte bereits stark gegen den geplanten Glaskubus von Thyssen-Krupp, der der neue Nachbar des Schlossneubaus und des Staatsratsgebäude werden sollte. Das viel diskutierte Projekt wurde vor einem Monat gekippt.
Sachzwänge müssten gelockert werden
Neben die internationale Ausschreibung tritt ein rivalisierender „Ideenwettbewerb“, den der Kulturkreis der deutschen Wirtschaft ausschreibt. Dessen Ergebnisse könnten als Inspiration für die Jury dienen, wenn diese kommende Woche die Resultate vorstellt. Auch bei diesen Konzepten dreht sich alles um die „Freiraumgestaltung“ rund um das Schloss. Aus fünf Hochschulen und Technischen Universitäten kommen die Vorschläge. Ihr Vorteil: An Bauvorschriften müssen sie sich nicht rigide halten.
Bauvorschriften und andere Sachzwänge machen die Umsetzung des Schlossprojekts tatsächlich schwieriger: sechs Reise- und Rundfahrtbusse müssen gleichzeitig vor Ort Platz finden. Dazu kommen drei Halteplätze für Taxis. 200 Fahrräder müssen an Metallbügeln unterkommen und die Hubwagen der Fensterputzer brauchen einen Weg, um rund um das Gebäude zu kommen. Wird die mühsam rekonstruierte Fassade überhaupt noch sichtbar sein hinter all dem Blech und Aluminium?
„Die Sachzwänge dürfen am Schloss nicht zur Zerstörung des Stadtraumes führen“, beharrt Stadthistoriker Benedikt Goebel. Eine „politische Entscheidung“ könnte die landschaftliche Verschandelung des Schlosses durch Bauvorschriften verhindern – „wenn aber dieses Wunder nicht geschieht, wird das Umfeld des Schlosses so schlicht und banal wie andere Plätze auch“.
Ein dritter Weg
Goebel ist einer der Stadthistoriker, die nicht einen ewigen Kampf zwischen Tradition und Moderne, Traufhöhen und Türmen oder Ost- und Westarchitektur austragen. Er entschied sich für einen „dritten Weg“. „Der wilhelminische Zustand lässt sich am Schloss nicht wiederherstellen“, meint er. Jedoch könnten städtebaulich sich ergänzende Faktoren zu einem runden Ganzen zusammenwachsen.
Welche Signifikanz das für das Bauprojekt hat, erklärt Goebel so: „Das erkennt man am Vergleich der Schlossbrücke mit ihren Figuren und früheren Aufnahmen ohne die Kunstwerke.“ Ebenso sei es wichtig, einen Teil der 23 Denkmäler in die Nähe Schlosses zurückzuführen. Dazu gehören der Schlossbrunnen, welcher heute als Neptunbrunnen vor dem Roten Rathaus bekannt ist, die Rossebändiger oder die Adlersäule.