Befragung der Direktkandidaten (1)

Ideen für den Wahlkreis Mitte

Blick auf den Schinkelplatz im Südwesten des Schlossplatzes.
Blick auf den Schinkelplatz im Südwesten des Schlossplatzes.
Jedem Kiez drückt der Schuh anderswo. Jeder Politiker hat andere Ideen für seinen Wahlkreis. QIEZ hat den Direktkandidaten auf den Zahn gefühlt und nach ihren Vorstellungen für die kiezige Zukunft gefragt: Was ist Ihre Wunschvorstellung hinsichtlich der Gestaltung des historischen Stadtkerns in Mitte?

Bündnis 90/Die Grünen: Özcan Mutlu

Für das Berliner Stadtschloss unterstütze ich die vom Haushaltsausschuss des deutschen Bundestages beschlossene Kostenobergrenze von 590 Millionen Euro. Das Land Berlin muss aber in die Diskussion um die historische Mitte unserer Stadt stärker mit eingebunden werden – das Berliner Stadtschloss ist deshalb auch ein wichtiges Thema für das Berliner Abgeordnetenhaus. Beide – Bund und Berlin müssen stärker als bisher kooperieren. Im Abgeordnetenhaus muss eine ernsthafte Diskussion über die Gestaltung der historischen Mitte Berlins geführt werden, mit ausreichend Zeit für das Parlament. Zur Gestaltung der historischen Mitte Berlins gehört für Bündnis 90/Die Grünen aber auch eine Öffnung des Bundesbildungsministeriums für die Stadt durch Cafés, Einzelhandel und Kultur vor Ort, oder auch ein Besucherzentrum am Petriplatz.
Alles in allem bleibt in punkto historische Mitte in Berlin viel zu tun. Bündnis 90/Die Grünen werden diesen Prozess weiterhin kritisch und konstruktiv begleiten.

SPD: Eva Högl

Der historische Stadtkern in Mitte sollte wiederbelebt werden. Denn er ist ein wichtiger Teil der Geschichte und Identität unserer Stadt. Momentan ist er jedoch weniger ein Ort, an dem sich Menschen wohlfühlen, wo sie sich gerne aufhalten und leben möchten.

Für eine Wiederbelebung des historischen Stadtkerns sind zwei Aspekte sehr wichtig: zum Einen sollte sie im Ganzen gedacht und geplant werden und kein Stückwerk sein. Zum Anderen muss der gesamte Prozess durch einen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern begleitet werden, der echte Beteiligung bedeutet. Die Einberufung einer Internationalen Bauausstellung zur Erarbeitung eines Gesamtkonzepts im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern wäre für die Wiederbelebung des historischen Stadtkerns eine durchaus erwägenswerte Möglichkeit.

 

Die Linke: Klaus Lederer

Ich setze mich für einen grüngeprägten öffentlichen Stadtraum zwischen Spree und Alexanderplatz ein. Die Freiflächen des Alexanderplatzes, um den Fernsehturm, vor dem Roten Rathaus und auf dem Marx-Engels-Hain, derzeit Baustellen für die „Kanzler-U-Bahn“, sollten erhalten und als eine Art Central Park unserer Stadt weiterentwickelt werden. Historismus – im Sinne einer Wiedererrichtung von fern in der Vergangenheit gewesenen Innenstadtquartieren – lehne ich ab. Diese Rekonstruktion ist nicht nur ahistorisch, da Berlin bereits im 19. und im beginnenden 20. Jahrhundert diese Altstadt stark vernachlässigt und de facto nicht gebraucht hat. Der ständige Wandel hat diese Altstadt bereits vor dem 2. Weltkrieg ins Abseits gebracht. Diese Rekonstruktion ist auch rückwärtsgewandt: Während im 19. Jahrhundert und auch in der Wiederaufbauzeit nach dem 2. Weltkrieg der Historismus noch eine gestaltende Dimension in ihrer Zeit hatte, soll heute nur noch ausschließend kopiert werden: neue Ideen finden ihren Platz nur im Rahmen des alten Korsetts. Die Kritik an diesem historisierenden Konzept, das vor allem von Christdemokraten und Teilen der SPD politisch vertreten wird, teilt nach meiner Kenntnis auch ein starker Teil der gegenwärtigen Stadtplanung und Architekturkritik.

So habe ich mich durchaus für ein Kultur- und Wissensforum auf dem Schlossplatz eingesetzt, nachdem die (aus meiner Sicht falsche und rein ideologisch-politisch motivierte) Entscheidung für den Abriss des Palastes der Republik umgesetzt worden ist. Ich hätte mich gefreut, wenn sich der Bundestag Zeit gelassen hätte – wenn der Bundestag Berlin und den Berlinerinnen und Berlinern Zeit gelassen hätte. Möglicherweise wären in fünf oder zehn Jahren völlig neue, zukunftsgerichtete Ideen zur Gestaltung des Areals entstanden. Nun werden wir ein Humboldt-Forum erhalten, dessen Außenfassade und dessen innere Nutzung in keinerlei Bezug zueinander stehen. Das historische Korsett, die vordemokratische Fassade, geben den Rahmen vor für die Nutzung des Humboldt-Forums. Wilhelminisch-preußische Geschichtspflege als architektonisches Disneyland auf der einen Seite, Kultur und Wissenschaft im Inneren auf der anderen Seite – das ist ein grotesker Anachronismus. Ähnlich anachronistisch mutet es an, wenn für ein Freiheits- und Einheitsdenkmal auf den Wilhelminischen Sockel zurückgegriffen werden soll. Was sagt uns das? Dass Einheit und Freiheit sich an den Grundfesten der preußisch-wilhelminischen Kaiserzeit manifestieren? Aus unserer Sicht sollten Marx-Engels-Denkmal und Neptunbrunnen in eine grün- und öffentlichkeitsbezogene Neugestaltung des Areals wieder dort ihren Platz finden, wo sie standen beziehungsweise stehen. Sie können aufgehen in eine moderne und die heutigen Verhältnisse widerspiegelnde Gestaltung der einstmals historischen Mitte Berlins.

Die Neugestaltung der Mitte Berlins soll doch etwas Zukunft Verheißendes sein, kein Vorwärts in die Vergangenheit. Hierfür hat es Zeit, muss nichts überstürzt werden. Hier können durchaus die kommenden Generationen ein Mitspracherecht erhalten.

Schließlich meine ich, dass die bestehenden Wohngebäude, auch die der DDR-Moderne, in Berlins Mitte zu erhalten sind. Sie bieten auch heute noch vergleichsweise moderate Mieten und damit einen Ort in der Mitte unserer Stadt, wo bezahlbares Wohnen für Berlinerinnen und Berliner möglich ist. Die DDR-Moderne steht unter dem Druck, rentableren Verwertungsmöglichkeiten der Grundstückseigentümer zu weichen. So soll ein Wohngebäude aus DDR-Zeiten in der Wilhelmstraße abgerissen und durch Suiten- und Hotelnutzung ersetzt werden. Das geht in die falsche Richtung. Statt nördlichen Mauerpark, Kleingartenanlagen oder das Tempelhofer Feld zuzuklotzen, sollte die herrschende Politik in Berlin alle verfügbaren Mittel nutzen, um den existierenden Bestand an bezahlbaren Wohnbauten – auch in der Mitte unserer Stadt – zu sichern, zu erhalten und behutsam auszuweiten. Die Mitte Berlins darf nicht nur für Stadtvillen und Townhouses offenstehen.

CDU: Philipp Lengsfeld

Das Thema Historischer Stadtkern ist politisch und emotional sehr aufgeladen, deshalb stehe ich als Kandidat für eine Diskussion mit Augenmaß. Trotzdem gibt es für mich einige Grundsätze. Ich war immer ein Befürworter des Schlossbaus (Humboldtforum). Ich freue mich auf das Einheitsdenkmal, obwohl mich der Entwurf erst in der Realität überzeugen kann.

Ich finde, dass das Gebiet um den Alexanderplatz ordentlich entwickelt werden sollte und kein DDR-Architekturmuseum sein darf. Dies gilt nicht so sehr für den Kern des Ensembles (Fernsehturm, Brunnen der Völkerfreundschaft, Weltzeituhr, ja sogar altes Forumhotel), aber ganz klar z.B. für das Haus der Elektrotechnik, das aus meiner Sicht weg muss und für die Bebauung in der Otto-Braun und der Karl-Liebknecht-Straße, die mir beide überhaupt nicht gefallen.

Meine persönliche Meinung: Das Marx-Engels-Forum hat für mich keinen legitimen Platz in der historischen Mitte. Dies können wir an geeigneter Stelle außerhalb von Mitte zur politischen Weiterbildung nutzen, wenn es denn sein muss.

Das Gebiet um den Neptunbrunnen, der zurück an seinen historischen Platz könnte, sollte entwickelt werden. Ich würde mich über eine Wiederentstehung von Wohnbebauung im Anklang an die verschwundenen Häuser freuen. Ähnliches gilt für andere Bereiche der historischen Mitte, aber wie eingangs erwähnt mit Augenmaß und nach intensiver sachlicher Diskussion. Hier verfolge ich z.Z. mit großem Interesse die Debatten im Bezirk um den Molkenmarkt und die Umgestaltung des lange Zeit vernachlässigten Umfeldes um die historisch bedeutsame Marienkirche im Schatten des Fernsehturms.

Das Thema ist historisch und persönlich natürlich bei vielen emotional sehr aufgeladen, die Debatte an sich aber für das Herz der Stadt von großer Bedeutung.

 

FDP: Harmut Bade

Meine Wunschvorstellung zum historischen Stadtkern ist, dass der Senat hier keine Planung durchdrückt, ohne sie intensiv mit dem Bezirksamt und der BVV sowie ehrlicher Bürgermitwirkung abzustimmen. Entscheidend ist dabei auch ein Verkehrskonzept, das den vielfältigen Anforderungen für Fußgänger, Radfahrer, ÖPNV und Autofahrer gerecht wird. Momentan herrscht diesbezüglich ausgerechnet im belebtesten Zentralbereich unserer Stadt Wildwuchs vor. Einer weiteren Bebauung zwischen Alex und Humboldtforum stehe ich insofern äußerst skeptisch gegenüber.

Piratenpartei: Therese Lehnen

Meine Wunschvorstellung für die Gestaltung des historischen Stadtkerns von Mitte ist, dass die Wünsche und Bedürfnisse aller Anwohner, dort arbeitenden Menschen und auch Besucher Berücksichtigung finden, damit die historische Mitte lebenswerter Kiez für die Bevölkerung bleibt und wird.

Wichtig ist mir, dass eine echte Bürgerbeteiligung schon in der Bauplanungsphase entsteht, die Belange von Kindern, Jugendlichen, Gewerbebetreibern und Kulturschaffenden, Touristen, Historikern, Denkmalschützern, der zunehmend älteren Bewohnerschaft als auch die kulturelle Vielfalt durch Migration Berücksichtigung finden.

Ein schwieriges Unterfangen, das sich lohnt.

*Die Reihenfolge der Beiträge ergibt sich aus den Wahlergebnissen der letzten Bundestagswahl im Bezirk.

QIEZ hat die Direktkandidaten aller zwölf Wahlkreise befragt und wird die Ergebnisse nach und nach online stellen.

Abgeordnetenhaus, Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Das Berliner Parlament befindet sich nahe beim Potsdamer Platz. Hier, im Gebäude des ehemaligen Preußischen Landtags, hat das Landesparlament seinen Sitz.  

Das Berliner Parlament befindet sich nahe beim Potsdamer Platz. Hier, im Gebäude des ehemaligen Preußischen Landtags, hat das Landesparlament seinen Sitz.  

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