Befragung der Direktkandidaten (5)

Neubauten in der City West

Rund um den Ku'damm tut sich derzeit eine Menge.
Rund um den Ku'damm tut sich derzeit eine Menge.
Jedem Kiez drückt der Schuh anderswo. Jeder Politiker hat andere Ideen für seinen Wahlkreis. QIEZ hat den Direktkandidaten auf den Zahn gefühlt und nach ihren Vorstellungen für die kiezige Zukunft gefragt. Der Stadtteil Charlottenburg-Wilmersdorf boomt - vor allem im Bereich der City West. Wir haben die Direktkandidaten des Bezirks gefragt, was sie von den Neubauten rund um Ku'damm, Breitscheidplatz und Bahnhof Zoo halten. Sind sie ein gelungener Beitrag zur Wiederbelebung der Gegend oder geben sie auch Anlass zur Kritik?

CDU: Klaus-Dieter Gröhler

Ja, ich halte die Neubauten in der City-West für einen gelungenen Beitrag zur Reaktivierung des Bereichs um den Zoo. Ich kann ja auch schlecht das Gegenteil behaupten, schließlich war ich von 2001 bis 2011 als Baustadtrat für die City-West ganz wesentlich für die Aufwertung rund um die Gedachtniskirche zuständig. Unter anderem habe ich mit dafür gesorgt, dass das Waldorf Astoria bis an den Breitscheidplatz reicht, die Ursprungsplanung hatte die Spitze zum Platz nicht vorgesehen, weil dieser Grundstücksteil nicht zum Neubauvorhaben gehörte.

Richtig zufrieden bin ich, dass jetzt das Bikini Berlin fertiggestellt wird. Damit wird der nördliche Rand des Breitscheidplatzes attraktiv werden. Durch den städtebaulichen Vertrag über den Zoo Palast ist sicher gestellt, dass dieses historische Kino auch viele Jahre tatsächlich als Kino betrieben werden wird. Als nachteilig empfinde ich, dass der Hardenbergplatz noch immer nicht entwickelt worden ist. Diese Aufgabe muss jetzt, u.a. mit dem Bau einer Tiefgarage, endlich angepackt werden.

Bündnis 90/Die Grünen: Lisa Paus

Es ist schön, dass das Bikini-Haus generalüberholt wird und eine öffentlich zugängliche Dachterrasse bekommt, denn das belebt die City West. Und ich freue mich, dass wir bald mit dem neuen Kino im Zoo-Palast wieder eine Spielstätte der Berlinale in unserem Bezirk haben! Doch leider steht die kulturelle Nutzung bei vielen Investoren in der City West nicht hoch im Kurs und die City West gerät immer mehr zu einer reinen Einkaufsmeile mit Verköstigung.

Seit sich die öffentliche Hand wegen mangelnder Finanzierungskraft fast vollständig aus dem Baugeschehen verabschiedet hat, verschwindet der Wettbewerbsgedanke im Architekturbereich, und das geht zu Lasten der Bauqualität. Auch in der City West sind architektonischer Mut oder Innovation nur schwer erkennbar.

Wir wollen einen echten öffentlichen Diskurs über die Gestaltung der City West. Für uns Grüne ist Bürgerbeteiligung in der Stadtplanung selbstverständlich. Doch ob einzelne Gebäude, wie etwa der Waldorf-Astoria-Turm am Zoo, die City West beleben oder nicht, wurde bisher eher dem Zufall überlassen. Das Regionalmanagement City West erfüllt unseren Anspruch an partizipative Stadtteilentwicklung nur rudimentär und stark einzelfallbezogen, wie am Olivaer Platz oder Ernst-Reuter-Platz.

SPD: Ülker Radziwill

Die City-West ist wieder überaus beliebt, nicht nur für Flagstores und Geschäftsleute geworden, sondern ist nach wie vor ein beliebtes und belebtes Viertel für Kultur, Shopping und Amüsement. Gerade in Gebieten mit Hochhäusern ist eine belebte  Erdgeschosszone besonders wichtig. Die Entwicklung und Verbesserung der Aufenthaltsqualität der Plätze in der City-West tragen wesentlich zur Akzeptanz der Neubauten bei.

Große Bauvorhaben wie das Waldorf Astoria am Zoo, das neue Bikinihaus, der Umbau der Budapester Straße und der dank der SPD als Kino gerettete, in der Sanierung befindliche Zoo-Palast sind wichtige Bauten, die der alten City-West auch ein architektonisch zeitgemäßes neues Äußeres verleihen, ohne die traditionelle Identität des Quartiers zu leugnen oder gar zu zerstören. Auch das Upper West-Hochhaus wird dem Bereich ein neues, unverwechselbares Äußeres verleihen, dem die sanierte Gedächtniskirche als traditioneller Ort gegenüber steht.

Besonders erfreulich ist, dass unweit in der Hardenbergstraße, in das Amerika-Haus mit dem c/o Berlin ein weiteres kulturelles Highlight aus Mitte in die City-West gezogen ist. Das zeigt nicht nur, wie beliebt die City-West mittlerweile ist, sondern auch, wie gelungen und inspirierend die neue, das Quartier beeinflussende Architektur in Kombination mit der traditionellen City-West empfunden wird. Eine Entwicklung, zu der Sozialdemokraten auf Bezirks- und Landesebene wesentlich beigetragen haben. Mit großem Interesse verfolge ich zudem die Diskussion um die Ideen von Kleihues und Mausbach für ein neu zu entwickelndes Viertel mit Hochhäusern zwischen der Hardenbergstraße und dem Charlottenburger Tor.

Wenn die Berlinerinnen und Berliner und ihre Besucher aus allen Ländern sich so gerne wie in den letzten Jahrzehnten rund um den Breitscheidplatz aufhalten, dann hat Stadtentwicklung im Land und Bezirk es richtig gemacht.

Zusätzlich müssen wir langfristig Wege finden, den Bahnhof Zoologischen Garten wieder ins Fernbahnnetz einzubeziehen.

 

FDP: Lars Lindemann

Die FDP freut sich sehr, dass sich Investoren gerade für den Bereich der City-West wieder interessieren. Es werden mehrere Milliarden Euro in diesem Gebiet investiert, was dem Investitionsstau der letzten 20 Jahre zu Gute kommt. Die Stadt sollte diese Möglichkeit als Chance sehen, um die tragende Bedeutung der City-West für Berlin wieder zurück zu gewinnen. Gerade mit dem Bau des Waldorf Astoria im Bereich des Bahnhof Zoos gab es eine Initialzündung für die städtebauliche Neuordnung und die Chance, den öffentlichen Raum wieder attraktiver zu gestalten.

Die Linke: Marlene Cieschinger

Luxus für wenige oder Lebensqualität für alleWem soll die Stadt gehören?

Der Planung für die City West (Fünf-Sterne-Hotel „Waldorf-Astoria“ / Neubau eines Atlas Tower „Upper West“ / Sanierung des Bikini-Hauses / Aufwertung des Cumberland-Hauses / Planung des Ku-Damm-Karrees usw.) liegt das Konzept von internationalen Finanzinvestoren zu Grunde, die mit Großprojekten, die meist im Luxussegment liegen, hohe Renditen erzielen wollen.

Mit der Bereitstellung von luxuriösen Dienstleistungen für die „oberen Zehntausend“ (Hotels der Luxusklasse / hochwertiger Gastronomie / Edel-Shopping) wollen sie ein zahlungsfähiges internationales Publikum anziehen und „verwöhnen“. Nur ein Beispiel: Ein „normales“ Zimmer im Waldorf-Astoria kostet pro Nacht so viel, wie ein HARTZ IV-Empfänger im Monat erhält. Eine Suite kostet bis zu 10.000 Euro pro Nacht.

Bei einem Forum der Fraktion der CDU im Abgeordnetenhaus zur Weiterentwicklung und zu den Perspektiven der City West wurde die immer noch fehlende Internationalität der City West beklagt und ein Mentalitätswechsel eingefordert: Um sich zur Metropole entwickeln zu können, müssten „kleinbürgerliche Ängste“ (Furcht vor Hochhäusern und mehr Autoverkehr) überwunden werden.

In diese Richtung zielen noch weitergehende Pläne für das Gebiet nördlich des Bahnhofs Zoo (ehemals bereitgestellt für ein Super-Riesenrad): auch hier Hochhaus-Planungen für Hotels der gehobenen Klasse, Büros und Luxus-Wohnungen. Dadurch wird dieser Raum der zukünftigen Nutzung für die Weiterentwicklung der Universitäten („Campus Charlottenburg“), und damit deren Standortsicherung entzogen. Auch andere Einrichtungen und Bauten, die der Charlottenburger Bevölkerung dienen können, würden dadurch unmöglich gemacht.

Auch wenn renommierte Architekten an der Planung und Realisierung der Bauprojekte beteiligt sind (egal, ob es Hotels, Bürobauten oder Wohnungen werden), handelt es sich meist um stereotype und monumentale Hochhäuser, die sich im Grunde nur wenig unterscheiden und die überall in den „Metropolen“ dieser Welt entstehen oder im letzten Jahrzehnt gebaut worden sind.

Wenn die Investoren und Betreiber dieser Super-Projekte auf die große Anzahl von  Arbeitsplätzen verweisen, die durch ihre Projekte entstanden sind, wollen wir darauf hinweisen, dass gerade in den Branchen Hotellerie, Gastronomie und im Einzelhandel (auch in denen der  Luxusklasse) sehr häufig krasse prekäre Arbeitsverhältnisse herrschen (niedrige Löhne, befristete Arbeitsverträge, Zwangsteilzeit, größte Flexibilität bei den Arbeitszeiten, Scheinselbständigkeit).

Im Ku-Damm-Karree, in dem zurzeit noch zwei große und beliebte Theater für „normale Menschen“ betrieben werden, und die sich (privatrechtlich betrieben) selber tragen, stehen diese Theater im Zuge der Umbauplanung zur Disposition, weil sie den Anforderungen der Investoren an Rentabilität nicht entsprechen, und weil man mit Boutiquen und Büros höhere Mieten erzielen kann.

Wir stellen die Frage:

Welche Rolle spielen die Menschen, die hier wohnen und leben, mit ihren „normalen“ Lebensgewohnheiten und mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Einkommen?

Sind sie in irgendeiner Weise gefragt worden, ob sie in einer so gestalteten Stadt leben wollen (unabhängig davon, ob sie sich dies überhaupt leisten könnten)?

Wir gehen bei der Stadtplanung (also bei der Planung der gestalteten Umgebung, in der die Bürgerinnen und Bürger wohnen und leben, von der Fragestellung aus:

Wo erkennen sich die Menschen in ihrer Lebensumgebung wieder?

Wo und wodurch „fühlen sie sich zu Hause“?

Die Stadt soll für die Menschen, die hier leben (wohnen, arbeiten, ihre Freizeit erleben) gestaltet sein – auf Grund ihrer Bedürfnisse, ihrer Interessen, ihrer Möglichkeiten (auch der finanziellen). Unbestritten ist: Die meisten können sich den Luxus, der in der City West angeboten wird, überhaupt nicht leisten. Solche Stadtviertel haben für sie keine Aufenthaltsqualität. Die meisten Angebote, die für sie interessant waren, sind geschlossen und umgewandelt (z.B. fast alle Kinos am Ku-Damm  und „normale Cafés“ wurden geschlossen).

Wohnraum, der für Menschen mit niedrigem oder mittleren Einkommen bezahlbar ist, wird nicht geschaffen; vielmehr wird im Zuge von aufwändiger Sanierung von Wohnhäusern oder der Umwandlung in Eigentumswohnungen die ansässige Wohnbevölkerung verdrängt und dadurch die soziale Struktur eines Stadtquartiers zerstört.

Bei unseren Überlegungen und Forderungen an die Gestaltung der Stadt (also auch des Gebiets der City West) gehen wir von den Fragen aus:

Wem soll die Stadt gehören?

Welche Stadtgestaltung bietet für alle eine hohe Lebensqualität?

Das schließt einerseits eine Differenzierung in vertretbaren Bandbreiten nicht aus. Andererseits lehnen wir die Ausrichtung der Entwicklung ausschließlich an den Interessen der internationalen Investoren und der Bedürfnisse der Wohlhabenden (Wohnen / Konsumieren / Freizeit gestalten) ab. Deshalb sehen wir in der City West (weder in Bezug auf das, was schon realisiert worden ist, noch auf die weiteren Planungen) weder einen Beitrag zur „Wiederbelebung der Gegend“ noch ein Modell für eine menschenfreundliche und sozial erstrebenswerte Stadtgestaltung.

Der Kandidat der Piratenpartei, Sigfried Schlosser, hat sich bis Fristende nicht zur Fragestellung geäußert.

*Die Reihenfolge der Beiträge ergibt sich aus den Wahlergebnissen der letzten Bundestagswahl im Bezirk.

QIEZ hat die Direktkandidaten aller zwölf Wahlkreise befragt und wird die Ergebnisse nach und nach online stellen.

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