CDU: Christina Schwarzer
Das Buch von Heinz Buschkowsky habe ich selbst nicht gelesen – ich kenne also lediglich die Berichterstattung darüber.
Ich bin in Neukölln aufgewachsen, bin in Nord-Neukölln zur Schule gegangen und habe einige Jahre Jugendarbeit in einer evangelischen Kirchengemeinde gemacht, bevor ich mit der Bezirkspolitik anfing. Seit 14 Jahren bin ich nunmehr Bezirksverordnete und kenne daher unseren Bezirk sehr gut.
Das Miteinander in unserem Bezirk klappt in vielen Bereichen und auch in vielen Kiezen sehr gut. Es gibt aber auch Gegenden in Neukölln, wo Integration nicht geklappt hat und es auch nicht klappen wird, denn Integration ist ein Miteinander und kein Nebeneinander. Gemeinsam sollten wir versuchen, Vorurteile abzubauen, um friedlich miteinander in Neukölln zu leben.
Dieses gestaltet sich jedoch immer dann als schwierig, wenn besonders viele Menschen aus einem Kulturkreis sich an einem Ort zusammenfinden und kein Interesse daran haben, ihre Nachbarn kennenzulernen, die deutsche Sprache zu erlernen oder in die Schule zu gehen, weil es eben „untereinander“ so nett ist. Des Weiteren muss das deutsche Strafrecht anerkannt werden – das ist leider auch nicht immer der Fall.
Integration ist keine Einbahnstraße. Integration ist ein Geben und Nehmen. Das sollten alle wissen, die in unserem Bezirk leben. Vorurteile gegen Fremde können auch nur so abgebaut werden.
Die CDU lädt jeden herzlich ein, dabei mitzumachen. Wer das nicht möchte, sich also nicht integrieren will, hat unseres Erachtens keinen Platz in unserer Gesellschaft.
Zuerst muss die deutsche Sprache erlernt werden, denn das ist das „A+O“.
Kinder sollten verpflichtend in die Kita geschickt werden, um die deutsche Sprache zu erlernen. Auch über einen verpflichtenden Besuch einer Ganztagsschule sollte nachgedacht werden.
Die Identifikation mit Deutschland/Berlin/Neukölln sollte über eine Förderung von ehrenamtlicher Arbeit geschehen, d.h., Migranten sollte der Einstieg in ehrenamtliches Engagement erleichtert werden. Dieses kann auf ganz niederschwellige Art und Weise geschehen. Wichtig der Gedanke, dass „Geben“ genau so wichtig ist, wie „Nehmen“.
Ich hoffe, die kurze Antwort genügt – es ist wirklich schwer, das Thema Integration kurz zu fassen.
SPD: Fritz Felgentreu
In Neukölln leben sehr viele Familien von Hartz IV. Überproportional viele von ihnen haben Migrationshintergrund: Im Schnitt ist die Arbeitslosigkeit unter ihnen doppelt so hoch wie unter den Deutschstämmigen. Da diese Zustände schon lange so sind, sind bei uns Nachbarschaften entstanden, in denen nur wenige Menschen einer normalen Erwerbsarbeit nachgehen. An einigen Grund- und Sekundarschulen sind über 90% der Kinder von der Lernmittel-Zuzahlung befreit, d.h. die Familien leben ganz oder teilweise von Hartz IV. Tausende Kinder in Neukölln wachsen ohne das Vorbild von Eltern auf, die einen normalen Job haben und damit die Familie ernähren.
Unter diesen Bedingungen beobachten wir auch den Rückzug in ethnisch überformte Parallelgesellschaften. Hier bestärken sich die Desillusionierten, die für sich in unserer offenen Gesellschaft keine Perspektive sehen, gegenseitig in der Ablehnung dessen, woran sie keinen Anteil haben. Das Ergebnis sind Lebensbedingungen, die sich selbst erhalten: Ehepartner kommen aus der jeweiligen Herkunftsregion. Wertvorstellungen, die auf Familien- und Frauenehre beruhen, werden über die Werte des Grundgesetzes gestellt. Man versucht, sich dem Zugriff der Behörden, vor allem des Jugendamts, weitestmöglich zu entziehen. Wenn es zu Streit und zu Straftaten kommt, einigen sich die betroffenen Familien unter der Vermittlung eines oft religiös legitimierten Friedensrichters, ohne Polizei und Staatsanwaltschaft einzuschalten. Diese Entwicklung gefährdet langfristig den sozialen Frieden; zudem werden schon jetzt vielen Menschen, besonders Mädchen und Frauen, aber z.B. auch Schwulen und Lesben, im Namen der Ehre ihre Grundrechte vorenthalten.
Gegensteuern kann man nur durch Aufklärung und Bildung: Aufklärung darüber, was der Rechtsstaat ist und wie er ohne Ansehen der Person gleiches Recht für alle garantiert, warum Kitas gut für Kinder sind, wie man sich gegen häusliche Gewalt wehren kann usw. Diese Aufklärung muss durch die Communities getragen werden; eine als Indoktrination von Außenseitern empfundene Belehrung dürfte wohl kaum angenommen werden. Die Stadtteilmütter sind ein gutes Beispiel dafür, wie so etwas funktionieren kann.
Für die Bildung der nachwachsenden Generationen müssen Kita und Schule weiter gestärkt werden. Die härtesten Kieze brauchen die besten Schulen – schafft ein, zwei, viele Campus Rütli! Das Ziel muss es sein, dass der Abschluss einer Neuköllner Schule wie eine Studien- oder Ausbildungsplatz-Garantie funktioniert. Denn am Ende führt nur die volle ökonomische Teilhabe, die Fähigkeit, sich selbst und die eigene Familie zu ernähren, heraus aus der Segregation.
Linke: Ruben Lehnert
Heinz Buschkowsky hat dem Zusammenleben in Neukölln geschadet, indem er einen Teil der hiesigen Bevölkerung in seinem Buch beschimpft und herabsetzt. Um die Integration zu verbessern, schlage ich als ersten Schritt vor: Wahlrecht für alle dauerhaft in Deutschland lebenden Migrantinnen und Migranten auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene, damit sie gleichberechtigt die Gesellschaft mitgestalten können.
FDP: Sebastian Kluckert
(Hinweis: Als Antwort verwies der Direktkandidat auf die Internetseite seiner Partei. Es folgen Auszüge.)
Berlin braucht Menschen, die zur Entwicklung unserer Stadt einen positiven Beitrag leisten. Dazu gehören auch qualifizierte und integrationsbereite Zuwanderer. Ein Großteil von ihnen trägt mit gelungener Integration zum Wohlstand und zur Vielfalt Neuköllns bei. Festzustellen ist aber, dass es zwischen den einzelnen Migrantengruppen erhebliche Unterschiede in Bezug auf die Integrationserfolge gibt. Laut einer Studie des Berlin-Institutes für Bevölkerung und Entwicklung sind Zuwanderer aus Ost- und Westeuropa sowie aus Ostasien spätestens in der zweiten Generation gut integriert. Die gleiche Studie belegt aber auch, dass zu viele Zuwanderer aus dem türkischen, dem arabischen und dem kurdischen Kulturkreis selbst in der dritten Generation nicht in der deutschen Gesellschaft angekommen sind.
In vielen Teilen Neuköllns sind Integrationsprobleme real und konkret sichtbar. Wir beobachten mit Sorge, dass ein Teil der Zuwanderer sich der Teilhabe an unserer Gesellschaft entzieht und sich in Parallelgesellschaften zurückzieht. Diese Realität zu leugnen, sie zu beschönigen oder zu relativieren, trägt nicht zur Lösung der Probleme bei, sondern sorgt dafür, dass diese sich immer weiter verschärfen. Das Schüren von Ängsten und das Ernstnehmen von Ängsten sind verschiedene Dinge. Menschen, die im täglichen Leben mit den Folgen gescheiterter Integration konfrontiert sind, entwickeln eine andere Sensibilität als solche, die in Stadtteilen zu Hause sind, in denen diese Probleme nicht auftreten.
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Integrationsbemühungen müssen weiterhin staatlich unterstützt werden. Eine intensive Förderung darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Integration eine Bringschuld der nach Deutschland Zugewanderten bleibt. Deshalb muss der Staat auch eigene Integrationsanstrengungen von den hier lebenden Ausländern einfordern und von den bestehenden Sanktionsmöglichkeiten Gebrauch machen, wenn solche verweigert werden. Wer keine eigenen Integrationsleistungen nachzuweisen vermag, soll nicht dauerhaft in Deutschland leben.
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Zwar haben die mit der Zuwanderung verbundenen Probleme Neuköllns ihre Hauptursache in der verfehlten Ausländer- und Integrationspolitik der vergangenen Jahrzehnte auf Bundes- und Landesebene. Jedoch müssen auch von der Kommunalpolitik wichtige Impulse ausgehen, um die Situation zu verbes-sern. Die Neuköllner FDP setzt sich für folgende Ziele ein:
- Wir unterstützen alle Maßnahmen, die den Zuzug in unsere Sozialsysteme stoppen. Nach Neukölln sind in den vergangenen 30 Jahren vielfach Ausländer mit geringer Bildung gekommen, die ohne eine entsprechende berufliche Qualifikation in unsere Sozialsysteme zugewandert sind. Die in Teilen vorhandene ausgeprägte wohlfahrtsstaatliche Einbettung dieser Zuwanderer erschwert die Integration, weil sie eine Grundversorgung der häufig sehr großen Familien ohne eigene wirtschaftliche Tätigkeit sicherstellt. Wir setzen uns daher dafür ein, dass Zuwanderer in den ersten fünf Jahren keinen Anspruch auf steuerfinanzierte Gewährleistung des Lebensunterhalts durch die Solidargemeinschaft erhalten, insbesondere keinen Anspruch auf Grundsicherung. Ferner soll der Ehegattennachzug nicht möglich sein, wenn der in Deutschland lebende Ehepartner innerhalb der vergangenen drei Jahre Leistungen der Grundsicherung bezogen hat.
- Wir setzen uns dafür ein, dass nach Vollendung des dritten Lebensjahres der Sprach- und Entwicklungsstand aller Kinder unabhängig vom Migrationshintergrund untersucht wird. Sofern Sprachdefizite festgestellt werden, wollen wir eine Kitapflicht mindestens in den letzten zwei Jahren vor der Einschulung.
- Wir fordern einen obligatorischen Sprachtest vor der Einschulung. Es sollen nur Kinder, die unsere Sprache in altersgerechter Weise beherrschen, Aufnahme in eine reguläre Klasse finden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass Schüler mit Sprachproblemen das Lerntempo vorgeben und andere Kinder in ihrem schulischen Fortkommen behindern. Darüber hinaus werden gegenwärtig Kinder mit Sprachdefiziten von vornherein ihrer Bildungschancen beraubt, weil sie dem Unterricht nicht folgen können, was zu nicht aufholbaren Lernrückständen in allen Fächern führt. Kinder, die den Spracheingangstest nicht bestehen, sollen zunächst in Förderklassen mit der deutschen Sprache vertraut gemacht werden.
- Die Neuköllner FDP unterstützt Schulen in dem Bemühen, eine Deutschpflicht auf dem gesamten Schulgelände einzuführen und durchzusetzen.
- Die Erwartung der deutschen Gesellschaft, dass Einwanderer schnellstmöglich die deutsche Sprache beherrschen, werden wir soweit wie möglich in der Bezirksverwaltung manifestieren. Wir werden daher u. a. die im Rathaus Neukölln angebotenen kostenlosen Dolmetscherdienstleistungen einstellen. Es ist für uns ein falsches Signal, wenn es in Neukölln nicht einmal mehr für Behördengänge erforderlich ist, deutsche Sprachkenntnisse zu besitzen.
- Wir werden darauf hinwirken, dass mehr als bisher im Rahmen der Eingliederungsvereinbarungen, die das Jobcenter Neukölln mit Arbeitslosen abschließt, verstärkte Bemühungen des Erlernens der deutschen Sprache abverlangt werden. Von der Möglichkeit, Ausländer zur Teilnahme an einem Integrationskurs zu verpflichten, werden wir verstärkt Gebrauch machen.
- Alle gemeinwohlorientierten auf Integration zielenden und öffentlich finanzierten Maßnahmen und Projekte werden wir auf ihre Effektivität überprüfen. Öffentliche Förderung soll sich auf Projekte und Verbände beschränken, die Integrationserfolge nachweisen. Diese Integrationserfolge sind an zuvor abgeschlossenen Zielvereinbarungen zu messen.
- Die Neuköllner FDP setzt sich dafür ein, Schulen die Möglichkeit zu geben, ein Kopftuchverbot durch Hausordnung einzuführen, um Mädchen bei Bedarf vor sozialer Ausgrenzung zu schützen. Gleichermaßen sollen die Schulen eine einheitliche Schulbekleidung einführen können, um andere soziale Ausgrenzungen zu vermeiden.
- Ferner fordern wir, dass ein Schüler, der wiederholt durch rassistisches, antisemitisches, deutschenfeindliches sowie durch sonstiges diskriminierendes Verhalten auffällt, einer anderen Schule in einem anderen Stadtteil oder Bezirk zugewiesen werden kann.
- Wir werden die bereits heute bestehenden Sanktionsmöglichkeiten gegenüber Integrationsverweigerern endlich konsequent anwenden. Diese reichen von der Kürzung von Transferleistungen über Geldbußen zu jugendrechtlichen Maßnahmen wie der Entziehung des Sorgerechts bis hin zur Beendigung des Aufenthaltsrechts bei Ausländern. Bei Verweigerung des Besuchs eines Sprach- bzw. Integrationskurses wollen wir, dass regelmäßig von den im SGB II vorgesehenen finanziellen und gegebenenfalls auch aufenthaltsbeendenden Sanktionsmöglichkeiten Gebrauch gemacht wird.
- Wir wollen den Aufgabenbereich des Neuköllner Migrationsbeirates weiterentwickeln. Gegenwärtig dient dieses Gremium in erster Linie dem Erfahrungsaustausch von Trägern sozialer Projekte. Spezifische Probleme des Zusammenlebens, wie z. B. die hohe Ausländerkriminalität, werden im Migrationsbeirat nur beiläufig thematisiert. Zukünftig sollen zwischen dem Beirat, seinen beteiligten Vereinen und dem Bezirk Zielvereinbarungen abgeschlossen werden. Die Migrantenvereine werden dadurch unmittelbar eingebunden, messbare integrationspolitische Ziele in ihrer jeweiligen Herkunftsgruppe zu erreichen.
Die Kandidatinnen der Grünen und der Piratenpartei, Anja Kofbringer und Anne Helm, haben sich bis Fristende nicht zur Fragestellung geäußert.
*Die Reihenfolge der Beiträge ergibt sich aus den Wahlergebnissen der letzten Bundestagswahl im Bezirk.
QIEZ hat die Direktkandidaten aller zwölf Wahlkreise befragt und wird die Ergebnisse nach und nach online stellen.