Man muss etwas Geduld mitbringen und sich in die Schlange stellen bevor man den typischen, länglichen Bau mit den Rolltoren in der Wilhelmsaue 32 sieht. Der lässt auf Anhieb vermuten, dass hier früher Ölwechsel gemacht wurden. Doch das davor komplett besprühte Auto, dessen Muster auch die komplette Außenwand ziert, sagt dir: Hier haben nicht mehr die Meister das Sagen, sondern Sprayer und Urban-Art Künstler.
Sobald man den ersten Schritt in die Halle getan hat, wandert der Blick in alle Richtungen und tatsächlich ist einfach überall was zu sehen. Ob nun auf dem Glasdach ein Berliner Bär, der ein Münchner Kindl väterlich im Arm hält oder eine Skulptur, die eine riesige Spraydose darstellt. Der Clou: Sie ist selbst aus vielen Spraydosen gebaut und kann sogar Feuer spucken. Die hohen Wände sind komplett mit Graffiti überzogen und in der Mitte gibt es unterschiedliche S- und U-Bahn-Zug-Modelle aus Kappa-Platten: Neben New York und Paris hat natürlich auch Berlin seinen eigenen kleinen Fuhrpark. Gebaut hat die der Street-Art-Künstler Fino, der laut eigener Aussage in Berlin bekannt ist für seinen Simpson Wholecar (Graffiti-Jargon für einen von oben bis unten bemalten Zugwaggon).
Graffiti, Installationen, Modelle…
Die Ausstellung Wandelism vereint viele verschiedene Stilrichtungen der Urban-Art. Ob nun Bombing, Graffiti, Installationen oder sogar Bilder, die komplett mit Tattoo-Farbe gemalt wurden. Dabei findest du das Thema des Raumes, also Autowerkstatt wieder. Ein Hummer wird kurzerhand zum rosa Plüschobjekt und eine alte schwarze Limo wird zum Skorpion. Selbst der Bauschutt findet Platz in den Kunstwerken – Kreativität und Ausdrucksfreude sind hier keine Grenzen gesetzt! Gezeigt werden Werke von 80 Künstlern, darunter unter anderem Gogoplata, Raws, Toy Crew, Sereoheat, Tape Fabia und auch Graffiti-Pionier Loomit.
Einer der Hauptorganisatoren auf Seiten der Künstler ist Señor Schnu, der auch beim Projekt The Haus mitgewirkt hat und dort für das Mooszimmer verantwortlich war. 400 Kilogramm Moos und 200 Kilogramm Joghurt nutzte er für die beeindruckende Installation. Schnu gibt uns eine Tour durch die Halle und die im oberen Stockwerk liegenden Räume. „Wandelism ist sozial und lokal, denn 90 Prozent der Menschen hier sind Berlin based und wir geben vielen neuen Künstlern Raum, sich mit ihrer Kunst zu verwirklichen“, sagt Schnu. Manche hätten zuvor noch nicht mal einen Künstlernamen gehabt. Skills seien definitiv wichtig, aber sie hätten niemanden abgewiesen, so Schnu.
Der soziale Faktor zeigt sich aber auch bei den Vorhaben mit den Einnahmen. So sollen 30 Prozent an soziale Projekte gehen und die AWO Kita Kinderwald sowie der Otto Spielplatz in Moabit gemeinsam mit den Kindern und den Künstlern verschönert werden. Der Rest soll zwischen den Künstlern und Helfern fair verteilt werden.
Bald wird aus alter Werkstatt ein Wohnhaus
Mitinitiatoren sind FTVS – Fine Arts, die besonders Urban-Art-Künstlern unter die Arme greifen, um Platz für ihre Kunst zu bekommen. Das Gebäude gehört der Immobiliengesellschaft Diamona und Harnisch, die den Künstlern die Räume zur Verfügung gestellt haben. Laut einer Mitarbeiterin der Immobiliengesellschaft war der Plan das Gebäude bereits Ende März abzureißen, um dort ein Wohnhaus mit 57 Wohnungen zu bauen. So war auch vorgesehen die Kunst auf Zeit nur bis zum 24. März zu präsentieren. Allerdings hat Diamona und Harnisch nun den Abrisstermin verschoben und so kannst du noch bis zum 31. März die farbenfrohen Zimmer, die coolen Autos und die bis zur Decke gehenden Graffitis bestaunen.
Die Vorbereitungszeit war für die Künstler sehr knapp, schließlich waren sie zu Beginn laut Schnu nur vier Leute und der Starttermin war der 1. Februar, so dass ihnen nur knapp 45 Tage zur Eröffnung blieben. Mit der Zeit seien aber weitere Künstler und Helfer dazugestoßen. „Beim Start hatten wir noch nicht mal Geld für Spraydosen“, so der junge Street-Art-Künstler. Eine Finanzspritze leistete Diamona und Harnisch. Schnu: „Jetzt bekommen wir bereits Anfragen aus dem Ausland, die auch andere Gebäude mit unserer Kunst versehen wollen.“ Ein weiterer, größerer Förderer stecke nicht hinter Wandelism, viele Künstler steuerten eigene Utensilien bei, um ihre Werke zu vervollständigen. „Die Zukunft für urbane Kunst muss frei sein“, sagt Schnu und legt uns ans Herz, nochmal zu kommen, dann, wenn alles fertig ist.
Am 17. März wurde Wandelism um 15 Uhr eröffnet und sollte nur bis zum 24. März laufen. Die Immobilienfirma Diamona & Harnisch hat nun aber den Abrisstermin verschoben und so kannst du Wandelism noch bis zum 31. März bestaunen. Die regulären Öffnungszeiten sind 12 bis 22 Uhr. Der Eintritt ist frei, allerdings läuft die Ausstellung Wandelism auf Spendenbasis, um das soziale Projekt in Berlin und die Künstler zu unterstützen.