Erst wurde gerätselt, dann wusste in Künstlerkreisen plötzlich der eine oder andere Bescheid – aber jetzt ist es offiziell und steht noch dazu in der angesehenen britischen Tageszeitung „The Guardian“ groß zu lesen: Die populären Street-Art-Wandbilder an der Kreuzberger Cuvrybrache sind mit dem Einverständnis ihres Schöpfers, des italienischen Künstlers Blu, schwarz übermalt worden. Der Berliner Kulturwissenschaftler und Ausstellungsmacher Lutz Henke hat ausgepackt und die Aktion in einem persönlichen Beitrag für den „Guardian“ geschildert. Er pinselte selbst zusammen mit Helfern, darunter etliche Künstler. Sie schwärzten die einstigen Ikonen der Graffitiszene aus Protest „gegen die Gentrifizierung“ der Stadt. Berlin werde immer zombiehafter, es verliere seine Seele, schreibt er.
Keine Graffiti-Tour ließ die Bilder aus
Seit 1999 schmückt Blu Großstädte mit Wandbildern. Meist enthalten sie politische Botschaften. 2007 bemalte er die 21 Meter hohen benachbarten Brandmauern in Kreuzberg. Es war sein Statement zum Wandel der einst geteilten Stadt. Auf der einen Wand rissen sich überdimensionale Gestalten gegenseitig Masken vom Gesicht. „Reclaim your City“ (Hol dir die Stadt zurück) schrieb er darüber. Nebenan trägt ein Krawattenmann zwei goldene Armbanduhren, aber die Handgelenke sind mit Handschellen gefesselt.
Street Art ist vergänglich
Bevor die Schwarzmaler anrückten, hatte eine Initiative angesichts der Baupläne für die „Cuvry-Höfe“ gefordert, beide Gemälde unter Denkmalschutz zu stellen. Weltbekannte Street Art werde zerstört. Doch gehört die Vergänglichkeit nicht zur Natur solcher Wandbilder? Ist die Kreuzberger Unangepasstheit schon museumsreif geworden? Das hielten Skeptiker der Initiative entgegen.
Lutz Henke sieht es im Guardian ähnlich. Der Geist von Berlins Aufbruchsära sei weg, also nun konsequenterweise auch die Bilder, die ihn ausdrückten. „Vom ersten Moment ihrer Existenz an waren Blus Gemälde zum Verschwinden verdammt.“