QIEZ-Blogger: Weddingweiser

Weddinger Straßennamen: Fernweh inklusive

Afrikanische Länder - häufig ehemalige deutsche Kolonien - sind nur eine von vielen Formen internationaler Straßennamen im Wedding.
Afrikanische Länder - häufig ehemalige deutsche Kolonien - sind nur eine von vielen Formen internationaler Straßennamen im Wedding. Zur Foto-Galerie
Der Wedding kann mit Fug und Recht behaupten, von allen Berliner Ortsteilen die meisten exotischen Straßennamen zu besitzen. Von Kiautschou bis Indien, von Swakopmund bis Oslo und von Sansibar bis Turin reicht die Bandbreite der Bezeichnungen für ganz normale Berliner Straßen. Sogar das Kap der Guten Hoffnung wird im Wedding gewürdigt.

Das Grundgerüst der Straßen, die es schon vor der rasanten Bauentwicklung des Wedding nach der Eingemeindung nach Berlin im Jahr 1861 gab, trägt noch ganz banal klingende Namen: Müllerstraße (nach den Windmühlen), Seestraße (nach dem Plötzensee), Triftstraße (nach dem Weg für die Viehtrift), Gerichtstraße (nach dem Hochgericht mit Galgen), Wiesenstraße und Gartenstraße. Andere alte Landstraßen wie die Tegeler, die Reinickendorfer oder die Pankstraße tragen naheliegende örtliche Bezeichnungen. Einen direkten Bezug zur Umgebung haben auch die Plantagenstraße (bezieht sich auf eine Baumschule, die es um 1790 dort gegeben hat) und die Ruheplatzstraße (wegen der vielen Friedhöfe der Umgebung).

Spanischer Erbfolgekrieg als Pate

Als erstes großflächiges Erweiterungsgebiet wurde der Bereich zwischen der Ringbahn und der Seestraße mit Straßennamen versehen. Harmlos klingen heute Namen wie Leopoldplatz (benannt nach dem preußischen Militär Leopold von Dessau), Malplaquetstraße, Turiner Straße oder Oudenarder Straße. Tatsächlich sind alle Straßennamen der Gegend nach Orten von Schlachten des Spanischen Erbfolgekriegs benannt, deren Feldherr Prinz Eugen war. Sogar die weiter nördlich gelegene Ofener, die Schöning-, die Barfus-, die Ungarn- und die Türkenstraße gehören noch zu der Reihe, die sich auf diesen Krieg bezieht. All diesen Straßen ist gemeinsam, dass sie östlich der Müllerstraße und westlich der Reinickendorfer Straße liegen.

Untypisch für Berlin: die wenigsten Straßen im Wedding sind nach Personen benannt, dazu gehören die Scherer-, die Sprengel-, die Willdenow- und die Buchstraße (nach Gelehrten), die Waldersee-, Sparr-, Burgsdorf-, Lynarstraße und der Nettelbeckplatz (nach preußischen Militärs oder Kriegshelden).

1906/07 wurde ein ganzes neu erschlossenes Gebiet ausschließlich nach belgischen Städten und nach Luxemburg benannt (der Brüsseler Kiez). Ebenso verfuhr man auch im Afrikanischen Viertel, das in der Kolonialbegeisterung des Deutschen Kaiserreichs zahlreiche afrikanische Straßennamen erhielt – bis heute die größte Ansammlung kolonialer Straßennamen in ganz Deutschland. Einzelne Straßennamen mit kolonialem Bezug kamen dann noch im Sprengelkiez nach, so die Samoa- und die Kiaotschoustraße sowie der Pekinger Platz. Sogar noch in den 1950er Jahren blieb man dieser Tradition im Weddinger Nordwesten treu (mit der Ghanastraße und dem Kapweg).

Britisch bei Schiller

Glasgower Straße
Ab 1910 wurde das Gebiet rund um den Schillerpark (der 1913 eingeweiht wurde) entwickelt. Die Straßen erhielten Namen von den britischen Inseln (der Name Englisches Viertel ist daher irreführend) – wie Glasgower, Dubliner oder Corker Straße. Noch 1958 wurde die Cambridger Straße in dieser Tradition benannt.

Wieder andere Straßen rund um das Virchowklinikum verdanken seit der Jahrhundertwende ihren Namen deutschen Inseln wie Amrum, Föhr, Sylt oder Fehmarn. Außerdem tragen dort zwei Plätze Namen von Ostseeorten (Augustenburg in Dänemark und Eckernförde).

In der Zwischenkriegszeit wurden einige Straßen nördlich der Seestraße nach Indien, Syrien und Persien benannt. Die Persische Straße wurde schon ein Jahr später (1935) in Iranische Straße umgeändert. Ähnlich erging es auch der Christianiastraße. Zwölf Jahre nachdem sich die norwegische Hauptstadt in Oslo umbenannt hatte, wurde auch der Straßenname 1938 in Osloer Straße geändert.

Oh là-là, le Wedding!

Namen wie die Rue André le Nôtre (heute Tourcoinger Straße), Allée du Stade, Allée Camille Saint-Saens (heute Charles-Corcelle-Ring) und Gustave-Courbet-Straße erinnern an die noch gar nicht so ferne Zeit, als der Wedding zum französischen Sektor gehörte. Bizarr ist, dass das ehemalige französische Kulturzentrum, das Centre Français, ausgerechnet von britischen Straßennamen umzingelt ist!

Als ob die ganzen Straßennamen nicht schon genug Fernweh wecken würden, wurde 1910 auch noch ein neu angelegter Platz nach dem Erfinder des Luftschiffs, Zeppelin, benannt. Wir Weddinger nehmen heute all diese Namen selbstverständlich in den Mund – ohne darüber nachzudenken. Bedenkt man, dass fast die Hälfte der Weddinger Bewohner einen mehr oder weniger starken Migrationshintergrund hat, passen alle diese exotischen Straßennamen doch hervorragend zu diesem weltoffenen, internationalen Stadtteil…

Dieser Artikel wurde uns zur Verfügung gestellt von www.weddingweiser.de

Foto Galerie


Quelle: Weddingweiser

Weddinger Straßennamen: Fernweh inklusive, Togostraße, Berlin

Weitere Artikel zum Thema

Wohnen + Leben
Top 5: Kirschblüten in Berlin
Auch wenn du vielleicht noch frühjahrsmüde bist, die Natur ist es nicht. Und so wartet […]
Wohnen + Leben
Die Evolution der Musikindustrie
Alles ist im Wandel – auch die Musikindustrie. Der Unterschied zwischen dem Konsum in den […]
Shopping + Mode | Wohnen + Leben
Top 10: Gartencenter in Berlin
Die Sonne scheint (bald). Frühlingsanfang: Die perfekte Zeit, um seinen Balkon oder Garten wieder auf […]
Wohnen + Leben
10119DESIGN verleiht Einrichtungen Stil
Es gibt Möbel und es gibt Designstücke, bestenfalls gehören Einrichtungsgegenstände aber gleichzeitig in beide Kategorien. […]