Kultur-Betreiber Jörg Fügmann und Iris Bauer

Brotfabrik-Macher: „Weißensee ist ein ganz wunderlicher Ort“

Offene Tür zur Galerie der Brotfabrik Weißensee, in einem Backsteingebäude auf dem Hinterhof
Grün und ein wenig verzaubert: der Hinterhof der Backfabrik mit dem Eingang zur Galerie.
Die Brotfabrik am Caligariplatz ist zweifellos der vielfältigste Kulturort von Weißensee. Was hier gar nicht so schwierig ist, finden ihre Geschäftsführer Jörg Fügmann und Iris Bauer. Ein Gespräch über einen Stadtteil, der mittendrin ist, aber nicht so richtig bei der Sache.

Geographisch gesehen ist die Brotfabrik eine Randerscheinung: Im äußersten Westen des Stadtteils, an der Grenze zu Pankow und Prenzlauer Berg, versorgt sie Weißensee seit Mai 1990 mit einem Rundumprogramm an Kultur: Kino, Theater, Literatur, Galerie, Atelier, Kurse und sogar ein kleines, am Sonntag geöffnetes Waschküchenmuseum haben ganz kompakt am Caligariplatz ein Zuhause. Ob die Brotfabrik deswegen das kulturelle Zentrum Weißensees ist?

Um das einzuschätzen, hilft es, sich mit dem Werdegang des Ortes und dem der Umgebung auseinanderzusetzen. Einer, der die ganze Geschichte des Hauses kennt, ist Jörg Fügmann. Heute bildet der Weißenseer zusammen mit Iris Bauer die Geschäftsführung der Brotfabrik. Im turbulenten Jahr zwischen Wende und Wiedervereinigung war er dabei, als die Macher des vormaligen kommunalen Jugendklubs die Chance sahen, ein unabhängiges Kulturzentrum aufzubauen. Fügmann staunt noch heute darüber, wie leicht es ihnen der damalige Rat des Stadtbezirks machte, die Dinge in die eigene Hand zu nehmen. „Maximale Freiheit unter maximalem Regenschirm“ habe es im Jahr 1990 in Ost-Berlin gegeben. Problemlos bekam die Brotfabrik damals Kulturförderung. Ihr Name geht übrigens auf eine tatsächliche, 1890 am selben Ort eröffnete Brotfabrik zurück.

Jörg Fügmann und Iris Bauer von der Brotfabrik Weißensee sitzen an einem Tisch in der Sonne

Das Geschäftsführer-Duo der "Brotfabrik": Jörg Fügmann und Iris Bauer.

Szenetreff in den wilden Neunzigern

Wir sitzen mit Fügmann und Bauer im Café der Brotfabrik, das abends zur Bar wird. In den Neunzigern war hier das Geierwally, eine der ersten legalen Szenekneipen im Ostteil Berlins. Der Laden brummte – regelmäßig traf man hier beispielsweise Schriftsteller Max Goldt – bis sich das Partyvolk Ende des Jahrtausends fast nur noch in Prenzlauer Berg und Mitte vergnügte und Weißensee wieder „zur Peripherie“ wurde, wie es Fügmann nennt. Auch die Medien hätten ihr Interesse verloren. Das bedeutet nicht, dass es der Brotfabrik heute schlecht geht. Das Kulturangebot ist mindestens genauso breit wie in den Neunzigern. Nur die Gewichte haben sich verschoben. Früher sei das Kino die lukrativste Säule des Programms gewesen, erzählt Fügmann. Heute gäbe es keine Hauptstütze mehr. Einer der größten Fehler seiner Karriere als Betreiber sei es gewesen, 1997 ein zweites Kino zu eröffnen. Fast direkt im Anschluss gingen die Besucherzahlen in den zwei Sälen zurück.

Ganz auskömmlich lässt sich die Brotfabrik auch heute nicht finanzieren, irgendwo seien immer ein paar Schulden, so der Geschäftsführer. Man kommt ganz gut über die Runden, ja, aber manchmal sei etwa die Zahl der Kinogänger einstellig, trotz des bereits ausgezeichneten Programms. Für jede kulturelle Disziplin arbeitet die Brotfabrik mit Profis zusammen. „Wir haben in unserem Programm meist einen aktuellen Bezug“, erklärt Iris Bauer zudem.

Kulturzentrum Brotfabrik in Weißensee von außen bei Sonnenschein mit Tischen vor dem Eingang

Die Brotfabrik am Caligariplatz im Sommer. Die Radfahrer im Vordergrund sind Jörg Fügmann und Iris Bauer.

Weißensee, ruhig und ein wenig verschlafen

Fügmann und die gebürtige Zittauerin Bauer wohnen im Komponistenviertel und lassen keinen Zweifel daran, dass sie Weißensee nicht für das Zentrum des kulturellen Lebens halten. Neben dem „bürgerlichen Pankow mit dem schicken Rathaus“ und dem „quirligen Prenzlauer Berg mit seinen Künstlern“ sei Weißensee schon immer ein wenig kurz gekommen, findet Fügmann. Daran änderten auch die Zuzügler der letzten Jahre wenig. „Die Menschen, die hierherziehen, wollen wahrscheinlich kein weiteres Prenzlauer Berg“, mutmaßen die beiden. Sondern eher die Ruhe einer Schlafburg.

Daran ist nichts verwerflich. Schade finden es Bauer und Fügmann trotzdem ein wenig, das merkt man ihnen an. Auch im Einzelhandel gebe es viel Leerstand: „Du kannst hier Läden ohne Ende mieten, in jeder Größe und Ausstattung“, so Fügmann. Die Berliner Allee sei erst zur Bankenallee geworden und dann zu einer verkümmerten Geschäftsstraße. Natürlich hat Weißensee ein paar Kulturorte wie Sepp Maiers 2raumwohnung, aber die meisten konnten sich nicht halten. Selbst die Künstler, die herziehen, seien eher zum Arbeiten und Leben hier als wegen einer Öffentlichkeit, glaubt Fügmann.

Nicht, dass sie sich davon unterkriegen lassen. Das Geschäftsführungsduo der Brotfabrik macht unverdrossen weiter und genießt in der Freizeit die schönen Orte der Gegend. Dazu gehören für Bauer und Fügmann unbedingt das Eiscafé Surprise, wo es auch guten Kuchen gibt, und das Restaurant Parkstern. Das finden sie sehr schön, das Essen superlecker, nicht gerade günstig, aber immer für einen gelungenen Abend gut.

Brotfabrik, Caligariplatz 1, 13086 Berlin

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