Wer ans Wendland denkt, assoziiert damit meist als erstes die Proteste gegen das Atom-Endlager Gorleben. Dass sich die Region im nordöstlichen Zipfel Niedersachsens aber auch, oder gerade wegen ihrer protestbehafteten Geschichte als spannendes Reiseziel eignet, merken wir bei unserem Kurzurlaub. Denn im Laufe der Zeit haben sich hier viele freidenkende, kritische Bürger niedergelassen und sorgen für eine beispiellose Vielfalt an Kunst und Kultur in dem idyllischen Landstrich.
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Das Wendland liegt südlich der Elbe im Landkreis Lüchow-Dannenberg. Etwa zwei Stunden von Berlin aus sind es bis hierher. Die Region ist dünn besiedelt und nach wie vor insbesondere landwirtschaftlich geprägt. Zwischen den kleinen Dörfchen, viele von ihnen sogenannte Rundlinge, ist nichts als Weite. Schon in den 1970ern zog die Gegend viele Freigeister an – Künstler, Aktivisten, die mit dem Ausruf ihrer “Freien Republik Wendland” 1980 die Basis für den Anti-Akw-Widerstand legten. Auch heute ist diese Energie an vielen Ecken noch spürbar.
Ferien in der Rübenburg im Wendland
Die Suche nach einer Unterkunft verschlägt uns in die Rübenburg im kleinen Rundlingsdorf Diahren. Das mag Zufall sein, dennoch passt es perfekt. Die Gastgeber sind selbst vor einigen Jahren aus Berlin ins Wendland gezogen. Ein alter WG-Mitbewohner hatte ihnen vom Wendland erzählt und die Begeisterung vom ersten Besuch sollte bleiben. Als sie durch Zufall vom Verkauf des 1894 erbauten Fachwerkbaus hörten, zögerten sie nicht lang. Der Vorbesitzer hatte die ehemals verfallene Rübenburg schon gründlich saniert – perfekte Bedingungen.
Heute ist die obere Etage zu einer großzügigen Ferienwohnung ausgebaut. 120 lichtdurchflutete Quadratmeter mit knarzenden Dielen, warmen Holzmöbeln und ganz viel Ruhe. Vor dem Haus laufen Hühner entlang, im Wendehammer flitzen die Nachbarskinder auf ihren Rädern und der Nachbar erntet im Garten Gemüse für das allwöchentliche gemeinsame Mittagessen im Dorf. Nur ab und an brummt ein Traktor vorbei. So kann man sich wahrlich ein unbeschwertes Landleben vorstellen.
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Ausflugstipps im Wendland
Neben den klassischen Ausflugstipps, wie in das Rundlingsmuseum Lübeln, das nahe Städtchen Lüchow oder Hitzacker mit seiner denkmalgeschützten Altstadtinsel, hat die Gastgeberin auch ein paar Geheimtipps für uns parat. Und so landen wir an einem Donnerstag im Landgasthof in Meuchewitz, der nach der Räumung der „Republik Freies Wendland“ zu einem wichtigen Treffpunkt des Widerstandes gegen das Atomprojekt Gorleben wurde. Donnerstags abends trifft sich hier ein bunter Haufen von Alteingesessen und Neuzugezogenen, Jungen und Alten, zum – überwiegend vegan-vegetarischen – Essen, zum Feiern und Diskutieren. Eine ansteckende Atmosphäre.
Bis heute werden Initiativen wie der Landgasthof selbstverwaltet und unter Mitwirkung engagierter Bürger umgesetzt. Erst 2018 ist das neue Waldbad Wittweitzen saniert worden – unter Mithilfe von rund 2000 ehrenamtlichen Arbeitsstunden. Das wohl bekannteste Projekt der Region: Bereits seit mehr als 25 Jahren gibt es im Wendland die „Kulturelle Landpartie“ (KLP), das größte selbstorganisierte Kulturfestival Deutschlands – entstanden aus der Protestbewegung. Die KLP findet jedes Jahr im Mai statt und verwandelt die beschaulichen Dorfplätze und Höfe des Wendland in bunte Freilichtbühnen. Wer zu dieser Zeit eine Unterkunft finden will, der sollte sich allerdings sputen: Auch die Rübenburg ist für die KLP 2019 schon seit einem Jahr vorgebucht.
Die Rübenburg per Mail ruebenburg@gmail.com anfragen oder über Airbnb buchen
Kulturelle Landpartie: 30 Mai bis 10. Juni 2019, mehr Infos gibt’s hier: https://www.kulturelle-landpartie.de/
Katrin Gewecke betreibt die Blogs Liebling Brandenburg und Liebling Mecklenburg.