Es tut sich endlich was beim Wohnungsbau in Berlin – allerdings vor allem im Hochpreissegment. In dieser Kategorie wurde 2011 der Bau von 7500 Wohnungen genehmigt, bestätigt Reiner Nagel, Abteilungsleiter bei der Stadtentwicklungsverwaltung. Noch unklar ist, wann die günstigen Wohnungen realisiert werden, an denen der Bedarf deutlich höher ist. Der neue Stadtentwicklungsplan Wohnen, dessen Ausarbeitung der Senat beschlossen hat, wird noch über ein Jahr auf sich warten lassen.
Die rot-schwarze Koalition plant den Bau von 6000 Wohnungen pro Jahr. Bei 130.000 zusätzlichen Haushalten, die nach Schätzungen bis 2020 in der Hauptstadt entstehen werden, sei das „ein Minimum dessen, was benötigt wird“, sagt Maren Kern, Vorstand beim Verband Berlin-Brandenburger Wohnungsunternehmen (BBU).
Die Bestandskaltmieten sind in der Stadt vergleichsweise günstig. Durchschnittlich 5,21 Euro pro Quadratmeter (bei den BBU-Gesellschaften nur 4,91 Euro) entsprechen den Preisen einer Kleinstadt. Doch Rainer Wild, Geschäftsführer des Mietervereins, weist auf das gegenüber den Münchenern um 30 Prozent niedrigere Einkommensniveau der Hauptstädter hin. Und bei Neuvermietungen steigt der Satz schon auf 6,50 Euro und mehr. Neubauwohnungen kosten selten weniger als neun Euro pro Quadratmeter und sind damit für Familien mit geringem Einkommen unerschwinglich. Der rot-schwarze Senat denkt daran, landeseigene Grundstücke zu günstigen Konditionen oder sogar kostenlos zur Verfügung zu stellen – doch Experten gehen davon aus, dass diese Maßnahme nur geringfügige preisliche Auswirkungen hätte.
Kein Mangel an teuren Wohnungen
Teure Neubauten für Wohlhabende entlasten den Wohnungsmarkt nur wenig, betont der Mietervereins-Geschäftsführer Rainer Wild. Auf die Haushalte mit niedrigem Einkommen werde sich dieser oft angeführte „Sickereffekt“ nicht auswirken. Wild verlangt, dass von den veranschlagten 6000 bis 10.000 Neubauwohnungen pro Jahr mindestens 2000 bis 3000 für Mieter mit Wohnberechtigungsschein reserviert werden.
Reiner Nagel möchte keine schnelle Lösung versprechen. Am 21. Mai lädt Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) die Bürger zum ersten Mal ein, sich am neuen Stadtentwicklungsplan Wohnen zu beteiligen. Bis zum Jahresende sollen dessen Grundzüge geklärt sein, Mitte 2013 dann ein Senatsbeschluss erfolgen. Bis dahin erhofft sich Nagel auch eine Antwort auf die Frage, „wie man es schafft, für das mittlere und untere Segment Neubauten zu errichten.“
Eine mögliche Vorgehensweise wäre, Bauherren zu verpflichten, einen gewissen Anteil neuer Wohnungen für Geringverdiener mit niedrigen Mieten bereitzustellen. In München und anderen Städten wurde diese Maßnahme bereits mit Erfolg angewandt. Ein wichtiger Grund, der den Bau von bezahlbaren Wohnungen verhindert, seien überzogene Energiespar- und Schallschutz-Verordnungen, kritisiert Architekt Tobias Nöfer. BBU-Vorständlerin Maren Kern ergänzt, dass Neubauten deshalb für Mitglieder ihres Verbands nur zu Kaltmieten zwischen 8,50 und zehn Euro pro Quadratmeter realisierbar seien. Als kostengünstig gelte dagegen eine Quadratmetermiete von unter sechs Euro. Der Senat habe sich zu dieser Problematik noch nicht geäußert. Vom Verband kommt die Forderung nach zinsgünstigen Darlehen und einer Leitstelle des Landes, die „Vorfahrt für den Wohnungsbau“ gewährleistet.
Klein oder am Stadtrand
Eine Alternative wäre, kleinere Wohnungen zu bauen. Laut Maren Kern hat sich die Wohnfläche pro Mieter seit den 1990er Jahren auf jetzt 38 Quadratmeter verdoppelt. „Wir müssen überlegen, ob wir uns das in der Innenstadt leisten können“, sagt auch Reiner Nagel von der Stadtentwicklungsverwaltung. Bei einer intelligenten Nutzung des Raums lasse sich ähnliche Wohnqualität auf weniger Fläche erreichen. „Man kann auch 20 Euro pro Quadratmeter zahlen, wenn man auf 25 Quadratmetern wohnt“, meint Architekt Nöfer.
In gefragten Wohngegenden der Innenstadt werden schon jetzt die Flächen knapp. BBU-Vorständlerin Kern kann sich langfristig auch den Bau von Stadtrandsiedlungen vorstellen. Den von ihr vorgeschlagenen Wohnungsbau auf dem Gelände des Flughafens Tegel lehnt Reiner Nagel jedoch ab. Rainer Wild vom Mieterverein fordert, dass mehr Anstrengungen unternommen werden, Wohnraum auch zweckgemäß zu nutzen. Die über 10.000 Ferienwohnungen seien „ärgerlich“. Doch ist es nicht einfach, juristisch dagegen vorzugehen – in diesem Jahr unterlag das Land in einem Prozess um ein Wohnhaus an der Wilhelmstraße. Das Problem soll nun mithilfe von Zweckentfremdungsverordnungen in den Griff bekommen werden. Manchmal würde auch ein Hinweis an das Finanzamt reichen.