Auf den ersten Blick sehen sie aus wie Feuermelder. Die kleinen weißen Buchsen, die in den Ausstellungsräumen des „me Collectors Room“ in der Auguststraße auf Schienbeinhöhe an den Wänden kleben. Dabei haben sie mit Feuer nichts zu tun – es sind vielmehr die Vorboten der Zukunft. Während die Besucher die Bilder der Künstlerin Cindy Sherman betrachten, verbindet sich ihr Smartphone mit den Sensoren an der Wand. Passend zur jeweiligen Fotografie werden dann Informationen auf dem Handy sichtbar. Außerdem springt der Ton an: Das Handy liest Erläuterungen vor.
iBeacons heißt diese Technologie, die über eine Bluetooth-Verbindung funktioniert und die es in Berliner Ausstellungsräumen bislang nur hier zu bestaunen gibt. „Die Verknüpfung wird natürlich nur hergestellt, wenn die Besucher vorher eine App installieren“, erklärt Projektmanagerin Julia Zehl.
Wie kann man junges Publikum begeistern?
Mit diesem Innovationswillen steht das private Ausstellungshaus in Berlin nicht allein da. An allen großen und kleinen Museen wird derzeit über Digitalisierung nachgedacht. Dabei geht es nicht nur darum, die eigenen Bestände zu scannen und in Datenbanken einzuspeisen. Oder die hauseigenen Webseiten zu aktualisieren und auf sozialen Medien aktiv zu sein. Die Museen setzen auch bei der Vermittlung an.
Die Leitfragen lauten: Wie kann man dem Publikum vor, während und nach dem Ausstellungsbesuch noch mehr Informationen zur Verfügung stellen? Wie kann man das junge und das internationale Publikum noch besser erreichen? Wie kann man interaktive und multimediale Elemente einbauen? Zwar dominiert nach wie vor das Papier – Kataloge, Texttafeln, Flyer – den Museumsalltag, aber digitale Angebote werden zunehmend nachgefragt. Und, wo vorhanden, meist begeistert genutzt.
Parallel dazu arbeitet das Museum an einem Online-Portal, auf dem digitalisierte Archivbestände zugänglich gemacht werden. Es soll in den kommenden Monaten starten. „Wir wissen durch die vielen Nachfragen, die uns erreichen, dass es da großes Interesse seitens der Besucher gibt.“
Analoges mit Virtuellem verknüpfen
Wie man den Museumsbesuch digital ergänzen und erweitern kann, darüber denken auch die Kollegen im Jüdischen Museum nach. „Das Thema hat bei uns hohe Priorität“, sagt Barbara Thiele, Leiterin der neuen Abteilung Digital & Publishing. „Mit der Konzeption einer neuen Dauerausstellung werden auch neue Online-Angebote entwickelt.“ Außerdem tüftelt das Museum an einer interaktiven Karte zur deutsch-jüdischen Lokalgeschichte. Die Plattform „Topographie jüdischen Lebens in Deutschland“ vernetzt vorhandene Webseiten und ist langfristig auf Mitmachen angelegt: Nutzer können eigene Orte und Wissen ergänzen.
Unter 50.000 Euro ist nichts zu machen
Noch sind das Experimente, einzelne, teure Leuchtturmprojekte. Unter 50.000 Euro sind professionelle Ausstellungs-Apps nach Angaben von Entwicklern aber nicht zu machen. Von einem umfassenden digitalen Angebot – mehrsprachig, multimedial, zielgruppenspezifisch – sind die meisten Berliner Ausstellungshäuser weit entfernt. Zwar gibt es seit Kurzem auch englischsprachige Apps für das Pergamon, fürs Alte und Neue Museum – aber die hat ein Start-up aus Großbritannien auf den Markt gebracht. Umsonst sind dabei nur wenige Basisinfos. Wer mehr über Museen und Exponate wissen will, kauft für 2,45 Euro die Premiumversion. Das Geschäftsmodell funktioniert, sagt Entwickler Madhukar Irvathraya. „Wir sind sehr zufrieden mit den Downloadzahlen. Als Nächstes werden wir weitere Sprachversionen veröffentlichen.“
Ein Netz für Tristan
Während auf der Museumsinsel externe Anbieter mit ihren Produkten vorpreschen, hat man sich im Naturkundemuseum in der Invalidenstraße für einen anderen Weg entschieden. Denn das Problem mit den Apps, das berichten viele Häuser, sei die verhältnismäßig hohe Hemmschwelle. Manche Besucher wollen partout keine Programme auf ihre Smartphones herunterladen, selbst wenn die Angebote kostenlos sind.
„Wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden“, sagt Gregor Hagedorn vom Forschungsbereich „Digitale Welt“ im Naturkundemuseum. Trotzdem ist offen, ob und wie das Haus die Boxen weiternutzt. „Wir sehen die Technik als Zusatzangebot, aber sie soll nicht zum Selbstzweck werden und den Museumsbesuch komplett dominieren.“ Am wichtigsten bleibe der direkte Blick, das reale Erlebnis. Ob mit oder ohne Smartphone in der Hand.