Tod eines Obdachlosen beschäftigt den Kiez

"Er war unser Peter"

Peter, ein wohnungsloser Zehlendorfer; in seinem "Wohnzimmer" vor der Dorfkirche, der Friedenseiche und der alten Dorfschule in Zehlendorf-Mitte.
Peter, ein wohnungsloser Zehlendorfer; in seinem "Wohnzimmer" vor der Dorfkirche, der Friedenseiche und der alten Dorfschule in Zehlendorf-Mitte.
Zehlendorf-Mitte - Der Obdachlose Peter gehörte für viele Zehlendorfer einfach dazu - wie die Dorfeiche, vor der er immer saß. Am ersten August ist er gestorben, Freunde haben eine Gedenkstätte aufgebaut. Ein halber Kiez trauert. Der Tagesspiegel Zehlendorf hat sich auf eine Art Spurensuche begeben.

Er saß einfach da. Still inmitten des Treibens und Tosens an der Potsdamer Straße / Ecke Clayallee, auf der Bank vor der Alten Dorfkirche. Immer dabei, samt Deutschlandfahne und Rucksack: sein Fahrrad, auf dem er am Ende gar nicht mehr fahren konnte, wegen Gleichgewichtsproblemen. Wenn man sich umhört, kannten viele ihn unter seinem Vornamen, Peter. Für viele Zehlendorfer scheint Peter zum Stadtbild rund um die Zehlendorfer Eiche gehört zu haben. Nun steht auf der Bank eine Sonnenblume in einer Vase, auf der Friedhofsmauer Kerzen und Blumen.

Am ersten August liegt plötzlich Peters Fahrrad vor seiner Bank an der Friedhofsmauer der Alten Dorfkirche. „Da war er wohl umgefallen und ist abgeholt worden“, mutmaßt ein Leser, der dem Tagesspiegel Zehlendorf Peters Tod per Email mitgeteilt hat. „Es ist interessant, dass er ja wohl auch viele Freunde hatte. Die ihm an seiner Bank eine Gedenkstätte aufgebaut haben.“ Auch ein anderer Leser hat uns geschrieben. „Immer wenn ich in den Heimatverein ging, saß er da“, sagt er uns am Telefon. „Letzte Woche brannte da aber eine Kerze an der Stelle, an der er sonst saß. Darüber bin ich fast gestolpert.“ Peter muss jemand Besonderes gewesen sein, wenn ein halber Kiez um ihn trauert.

„Tschüß Peter“

Wir stehen vor der Bank an der Dorfkirche, seiner Bank, eine rote Grabeskerze brennt, daneben ein gerahmtes Schild. „Tschüß Peter“, steht darauf, „Du warst auf deine liebevolle Art auch eine Zehlendorfer Eiche. Wir werden dich vermissen.“ Eine ältere Dame ist gerade mit ihrem Mann am Rollator über die Ampel an der Potsdamer Straße gekommen. Sie lässt ihren Mann stehen, als sie die Kerze und die Blumen sieht, hält kurz inne vor der Bank und nickt langsam. Sie habe den Mann, der hier saß, auch oft gesehen. „Er war nie aufdringlich, hat immer zurückgegrüßt und sich immer höflich bedankt, wenn ich ihm was gegeben habe.“

Er habe immer ein gutes Benehmen gehabt, „wie ein Gentleman“, bestätigt auch Elma Malitzki vom Förderverein der Paulus-Gemeinde. „Wir haben hier Peter immer angezogen. Er hat nie gebettelt, sondern gewartet, bis jemand für ihn Zeit hatte und dann gefragt: „Haben Sie eine Jacke für mich?“ Ich weiß auch, dass er eine Tochter im Behring-Krankenhaus hat. Und stolz war er, nie ist er zum warmen Essen unserer Gemeinde gegangen. Wenn ich ihn gefragt habe, hat er gesagt: ‚Ich gehe lieber zu meinem Sam.'“ Er habe in letzter Zeit viel getrunken. „Dann habe er die Augen zugemacht, die Mütze ins Gesicht gezogen und seinen Rausch ausgeschlafen. Nie hat er jemanden gestört oder belästigt. Auch viele Damen seien vom Rad abgestiegen und hätten sich mit ihm unterhalten.

Dann steht sie abrupt auf: „Kommen Sie, ich zeige Ihnen seine Bank und das Schild.“ Auf dem Weg dahin bleibt sie stehen: „Hier am Kulturkiosk hat er sich oft untergestellt. Wenn ich ihn nicht gesehen habe, habe ich mich schon gewundert.“ Es gäbe ja auch andere Hilfsbedürftige hier in der Gegend, „aber da ist nicht die gleiche Zuneigung. Er war einfach unser Peter“, sagt sie und sieht schnell weg.

„Ein ganz besonderer, lieber Kerl“

Auch im American Diner „Uncle Sam“ scheint Peter zu fehlen. „Ich kannte Peter seit langer, langer Zeit“, sagt Lee Mendenhall. Er betreibt das Uncle Sam seit fast 20 Jahren. „Meistens hat er sich Chili con Carne zum Mitnehmen bestellt, manchmal auch einen kleinen Hamburger. Er kam ein paar Mal pro Woche, hat mir von seiner Familie erzählt und Bescheid gesagt, wenn er mal ins Krankenhaus musste. Er hat mir auch erzählt, dass er auf einer Bank auf dem Friedhof schläft, wo seine Eltern bestattet sind. Er war einfach ein ganz besonderer, lieber Kerl“, sagt Mendenhall. Leute hätten bei ihm ab und zu Geld für Peter abgegeben. „Er war sehr beliebt – he was special. Ich schaue jetzt immer rüber zu seiner Bank, und keiner sitzt da.“ Am ersten August habe er ihn noch von weitem gesehen, da habe er irgendwie nicht gut ausgesehen.

Laut Polizeibericht wurde der 55-Jährige am Samstag, den ersten August um 9.50 Uhr auf dem Gehweg gefunden. Die alarmierte Feuerwehr habe nur noch den Tod feststellen können, Fremdverschulden wurde nicht festgestellt. Der Förderverein von der Paulusgemeinde würde Peter nun gerne das Begräbnis ausrichten. Diesen letzten Liebesdienst würden sie ihm gerne erweisen, sagt Elma Malitzki. Sie suchen nun nach seiner Tochter Yvonne. „Die Familie kann sich jederzeit bei uns melden. Wir würden ihm gerne eine Grabstätte, auch anonym, auf dem Friedhof an der Onkel-Tom-Straße stiften. Und“, fügt sie hinzu, „auch wenn nicht alle das gleiche Glück im Leben haben, sind doch alle Menschen gleich wertvoll.“


Quelle: Der Tagesspiegel

Paulus Gemeinde und Dorfkirche Zehlendorf, Teltower Damm 4-8, 14169 Berlin

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