Ein Blick auf William Wires Bilder ist wie ein Spaziergang durch Berlin, nur viel ästhetischer. Der Amerikaner lebt seit 26 Jahren im Wrangelkiez, seit zwei Jahrzehnten porträtiert er die Stadt. Was dabei herauskommt, ist gemalte Kiezkultur. „95 Prozent meiner Bilder entstehen vom ersten bis zum letzten Pinselstrich vor Ort“, erzählt William. Am häufigsten ist er vor der eigenen Tür in Kreuzberg unterwegs, außerdem in Friedrichshain und Neukölln. Langweilig wird das nie: „Je mehr ich male, desto mehr sehe ich, was ich noch nicht gemalt habe.“ Und weil er dauernd draußen ist, kennen viele den Wahlberliner, der in den 80ern nach München und dann per Anhalter in die Hauptstadt kam. Sie unterhalten sich mit ihm über die Motive oder fragen, ob er nicht einmal ihr Haus auf die Leinwand bringen möchte.
„Graffitis ziehen mich an“
Kneipen, Supermärkte, Restaurants und Parkanlagen geraten in Williams Blick. Mustafa’s Gemüse Kebap, die Lenau-Stuben oder das Burgeramt waren schon dabei. Außerdem sieht man auf den Kiezbildern viele Graffitis – auch jene, die es eigentlich schon nicht mehr gibt. Vor allem die Schriftzüge von 1UP und Just zögen ihn an, sagt William. Manche Gemälde habe er nur wegen dieser Tags gemalt. Andere Motive wählt er wegen ihrer Ästhetik aus, weil ein Ort sich bald verändern wird oder Teil einer politischen Diskussion ist.
Hauptsache „der Funke springt über“, beschreibt William die Entscheidung. Und genau das passiert nicht, wenn der studierte Architekt Berliner Wahrzeichen wie das Brandenburger Tor malen möchte. „Da laufen dann nur Touris vorbei und man kommt mit niemandem ins Gespräch. Das hat mit mir nichts zu tun“, so der Maler. Darum lässt er die großen Sehenswürdigkeiten links liegen. Auch wenn sie sich auf den Postkarten, die er an Bücherläden und Souvenirshops liefert, sicher gut verkaufen würden.
Anders geht es dem Kreuzberger mit dem Spreeufer, dem er eine eigene Bilderreihe widmet. „Spreeufer für alle!“, hatte er auf einem Spruchband am Görlitzer Park gelesen. „Dann bin ich am Spreeufer entlanggelaufen und habe ganz viele Absperrungen gesehen“, erzählt William: „Die Spree ist unglaublich schön und ein Aushängeschild für Berlin, das sollte man den Bewohnern nicht wegnehmen.“ Seine Bilder drücken genau das aus.
Und so sind viele Gemälde mehr als nur Stadtportät. Schon allein, weil William die Motive manchmal verändert, um seinen Eindruck zu verstärken. Da wird schon mal ein Luxusauto vor ein Café gestellt, hinter dem die Kiezbewohner Geldwäsche vermuten oder ein „Refugees Welcome„-Graffiti neben die Tankstelle gemalt, um auf die Zusammenhänge von Politik und Ölindustrie zu verweisen. Anderseits zeigen die Berlin-Bilder, dass hinter jedem Image das ganz normale Leben steckt. Zum Beispiel wenn William sein Bild „Berghain Areal“ nennt und darauf zu sehen ist, wie nebenan vor dem Bierhof Rüdersdorf vor der Tür gefegt wird.
Es geht nicht um den Wandel
Nur eins möchte William auf keinen Fall: „Ich mag es überhaupt nicht, wenn mich jemand einen Chronisten nennt“, sagt er. „Es geht mir absolut nicht um den Wandel, sondern ich will Aktuelles malen.“ Also zeigt William, was gerade in der Nachbarschaft passiert. Ob das nun Personenkontrollen, Neueröffnungen oder einfach Sommertage im Park sind. Aber weil er das schon seit Jahren tut, zeigen seine Bilder eben doch das, was sie eigentlich nicht sollen: die Geschichte und den Wandel dieser bunten Stadt.

William Wires Gemälde kosten zwischen 500 und 2000 Euro. Es gibt die Bilder aber auch als Postkarten oder Poster zu kaufen. Wo, das erfährst du auf Williams Homepage oder auf Facebook.