Jutta Kämper, selbst allein wohnend, bemerkte, dass in ihrem Umfeld viele alleinstehende Frauen den Wunsch teilten, in einer konkreten Nachbarschaft, in einer Gemeinschaft zu leben, ohne dabei ihre Eigenständigkeit zu verlieren. Um diesem Bedürfnis nachzukommen, tat sie sich mit einigen von ihnen zusammen und gründete den Verein Beginenwerk. Zuerst widmete er sich der Unterstützung der betreffenden Frauen in Berlin, bald erwuchs daraus aber schon die Idee für ein kollektives Bauprojekt.
Die Architektin Barbara Brakenhoff entwarf ein Gebäude mit 53 Wohnungen in der Größe von etwa 50 bis 75 Quadratmetern, zwei Gästezimmern, einem gemeinschaftlichen Garten und einem Gemeinschaftsraum. Dieser bildet das Herzstück des Hauses. Dort können die Bewohnerinnen je nach Belieben vorbeischauen und die Nachbarinnen auf einen Kaffee und Plausch treffen oder zusammen ganze Veranstaltungen planen. Das war schließlich die Motivation hinter dem Projekt: nah beieinander zu wohnen, mit einem Raum, der kollektiv, unkompliziert und vielfältig genutzt werden kann, erklärt Kämper.
Ganz unterschiedliche Frauen
Die Frauen, im Alter zwischen 40 und 80 Jahren, kommen aus ganz unterschiedlichen Berufen, Geschichten und Lebensphasen und bringen daher viele verschiedene Ideen und Interessen mit. Unter sich treffen sie aber auch immer auf Gleichgesinnte, mit denen sie sich gemeinsamen Hobbys widmen können. Sie bilden Literaturgruppen, kommen zum Yoga und zu Tanzkursen zusammen oder laden auch mal Personen für Vorträge ein.
Zwar werden die Wohnungen nur an weibliche Eigentümerinnen verkauft, das heißt aber nicht, dass Männer leider draußen bleiben müssen. Sie sind nicht nur zu den Veranstaltungen und als individuelle Gäste willkommen, sondern wohnen mitunter auch in den Häusern. Da gibt es neue Ehemänner, Liebhaber und auch Söhne oder Väter. Der Beginenhof etwa, das erste Haus, in dem auch Jutta Kämper wohnt, beherbergt neben den 53 Frauen auch zwei Männer. Die Wohnungen sind für Ein- bis Zweipersonen-Haushalte konzipiert.
Anfangs waren sie zur Miete vorgesehen, was dann allerdings nicht verwirklicht werden konnte. Da Berlin keine Wohnungsbauförderung mehr vergibt, musste das Projekt durch die Form der Eigentumswohnungen finanziert werden. Diese waren und sind jedoch stark nachgefragt. Schon 2011 entstand das zweite Gemeinschaftshaus, der Müggelhof in Friedrichshain und auch für den Florahof, der voraussichtlich 2015 bezogen werden kann, sind schon zwei Drittel der Räume verkauft. Die interessierten Frauen wünschen sich oft explizit eine Eigentumswohnung als Altersvorsorge.
Ein Name mit Tradition
Das Haus in den Floragärten soll über 20 Wohnungen plus Gemeinschaftsräume verfügen. Architektin Anne Lampen plante die Räume mit einem besonderen Fokus auf gleichzeitige private Rückzugsmöglichkeiten und Einladung zur Gemeinsamkeit.
Der Name des Vereins ist übrigens von den Wohnanlagen der belgischen Beginen entlehnt. Alleinstehende Frauen und Witwen schlossen sich im 12. und 13. Jahrhundert zusammen, um ein frommes, aber an keine Ordensgemeinschaft geknüpftes Leben zu führen. Sie verzichteten auf persönlichen Besitz und wohnten in selbstständigen souveränen Gemeinschaften zusammen. Das männliche Pendant der Beginen waren die Begarden.
Vielleicht sehen sich ja alleinstehende Berliner Männer irgendwann durch Jutta Kämper und ihre Mitbewohnerinnen inspiriert und gründen einen Begarden-Hof.
Mehr Infos zu den Beginenhöfen und speziell zum Florahof