
Ökodorf und Kommunen
Was hat Sex mit gesundem Leben zu tun? Solche Fragen können nur Gegner*innen der ökologischen Kommunen aufwerfen, die sich in Deutschland frei entfalten. Das bekannteste Ökodorf in Brandenburg ist jedenfalls der freien Liebe zugetan: Im Bad Belziger Zegg, Zentrum für experimentelle Gesellschaftsgestaltung, werden Nachhaltigkeit und Sexualität groß geschrieben. Freiheit kann hier auch bedeuten, dass zwei Menschen aus der Kommune einander (eine Zeit lang) treu bleiben wollen. Selbstversorgung, Stärkung regionaler Kreisläufe, Nutzen nachwachsender Rohstoffe und andere umweltfreundliche Aktionen sind dabei aber so selbstverständlich wie in allen Ökodörfern. Natürlich gibt es auch stinknormale Gemeinschaften, in denen Menschen in monogamen Beziehungen oder gar als enthaltsame Singles wohnen. Wer also eher vom absoluten Landidyll und heiler Familienwelt träumt, sollte sich das Ökodorf Brodowin ansehen. Die ehemalige LPG hat sich gemeinsam mit Aktivist*innen und Naturschützer*innen nach der Wende zum Bio-Vorzeigedorf entwickelt. Hier ziehen alle an einem Strang, um mit nachhaltiger Landwirtschaft, Verarbeitung und Vertrieb ökologische Lebensmittel anbieten zu können und Menschen von jung bis alt mit einzubinden. Gemeinschaftliches Wohnen gehört hier nicht zum Konzept, aber die Dorfgemeinschaft sorgt sich umeinander und hat einiges zu bieten für Kinder, Fußball-Fans, Angler*innen, Chorsänger*innen und andere gesellige Menschen.

Wohnverwandtschaften
Der Trend geht zum Single-Haushalt, aber wollen wir wirklich alle allein leben? Im Jahr 2030 werden das über 50 Prozent der Berliner laut Studien tun. Aber keine Angst, du musst nicht einsam am Herd stehen: Falls du noch Saft und Kraft hast, ist Wohnen gegen Hilfe eine Alternative. Diese WG-Version bringt Menschen zusammen, die sich gegenseitig unterstützen. Sei es ein Mitbewohner, der eine alleinerziehende Mutter bei der Kinderbetreuung unterstützt oder ein Zimmer-Mieter, der sich um Haus und Hund eines Vielreisenden kümmert. Eine beliebte Variante ist das Zusammenwohnen junger Menschen mit Senioren. Die Jüngeren profitieren von Lebensweisheit und Mietersparnis, die älteren Herrschaften von der Hilfe bei Einkäufen, im Haushalt oder in Sachen moderner Technik. In anderen Bundesländern gibt es auch schon Seniorenheime, die jungen Menschen Zimmer anbieten, in Berlin hat sich das Konzept noch nicht durchgesetzt. Hier haben verschiedene Webseiten wie Mitwohnen Wohnen gegen Hilfe im Programm. Ein weiteres Projekt mit dem Namen AlWiG brachte elf wohlhabende Rentner nach Neukölln, um den sozialen Brennpunkt aufzulockern und die Nachbarschaft zu stabilisieren. Das machen die Ruheständler nicht allein durch ihre Anwesenheit, sondern mit Hausaufgabenhilfen, Babysitting und Engagement in Nachbarschaftstreffs und Vereinen. Eine dritte Chance auf Wohnverwandschaft hast du bei generationsübergreifenden Wohnprojekten wie in der Alten Schule Karlshorst.

Tiny Houses und Container
Was Minimalismus bedeutet, kann dir wohl am besten ein Tiny-House-Bewohner beantworten. Als der Architekt Van Bo Le-Mentzel den Prototypen seines Tiny100 vor einigen Jahren vorstellte, blieb uns der Atem weg. In einem Häuschen nach seinem Konzept lebt man auf 6,4 bis maximal 10 Quadratmetern. Die Einrichtung ist so einfach wie genial und meistens klappbar. Aber nicht nur Le-Mentzel arbeitet daran, auf diese Weise erschwinglichen Wohnraum für alle zu ermöglichen, Andreas Beutel fertigt Tiny Houses in Brandenburg an der Havel, LandAnker baut kompakte Wohnräume in Kyritz und Klára Rybnikàřová designt mit KR Tiny Homes Zirkuswagen und Tiny Houses. Bleibt nur die Frage, auf welchem Grundstück darf dein neues Zuhause stehen. International leben schon einige Menschen in Tiny Houses. Wenig Platz zu nutzen ist übrigens auch das Prinzip von den Containern, die 40 feet entwickelt hat. Der Vorteil hier: Die Apartments sind stapelbar, allerdings hat sich das Konzept in Berlin noch nicht durchsetzen können, in Hamburg hingegen schon.

Baugruppen
Einst waren es Linksalternative, die mit der Idee der Baugruppe schöner Wohnen für Jedermann ersannen. Heute werden Baugruppen von Linken gemobbt, Baustellen verwüstet oder Neubauten dauer-besprüht. Wer nicht gerade versucht, auf der Rigaer Straße mit dem modernen Eigenheim glücklich zu werden, kann mit einer Baugruppe relativ kostengünstig einen Traum verwirklichen. Auf Plattformen wie Cohousing-Berlin treffen sich künftige Mitstreiter*innen und Expert*innen, um aus einer Idee ein Dach über dem Kopf werden zu lassen. Baugruppen und Genossenschaften sind nicht so elitär, wie es scheint. Bei steigenden Mietkosten und niedrigen Bauzinsen liegt es nahe, über ein Eigenheim nachzudenken. Wer mit weniger kreativem Ehrgeiz, aber dennoch nötigem Wagemut ausgestattet ist, der kann sich einem Kollektiv anschließen, das ein Mietshaus als Eigentümerkollektiv übernimmt. Solche Zusammenschlüsse finden sich zum Beispiel im Mietshäuser Syndikat vereint. Die autonomen Projekte, bei denen ein Haus durch Mieter vor dem Verkauf oder Abriss errettet wird, sind nicht einfach zu finanzieren und zu organisieren. Durch den Zusammenschluss verschiedener Projekte im gesamten Bundesgebiet verknüpft das Mietshäuser Syndikat Fachwissen, Erfahrungswerte und Ressourcen, um langfristig die Hausübernahmen zum Erfolg zu führen.

Co-Living
Normalerweise muss man sich stundenlang im besten Licht zeigen, um einen Platz in einer WG zu ergattern und nicht selten stellt sich hinterher heraus, dass man doch nicht zusammenpasst. Vielleicht regiert der Zufall da viel besser als das Bauchgefühl? Ob es dann wirklich funktioniert, sich mit wildfremden Menschen Küche, Bad und Waschsalon zu teilen, ist natürlich nicht garantiert. Günstig sind die oft möblierten Wohnungen nicht, die du zum Beispiel auf Uniplace findest. Auch die kleinen Smartments der GBI AG setzen auf gut situierte Student*innen, die eine All-Inclusive-Wohnung mieten. Andere Immobilienvermarkter stehen mit ähnlichen Co-Living-Spaces in den Startlöchern. Der Trend ist teuer und eigentlich nur etwas für Neu-Berliner*innen, die noch gar nicht wissen, wo sie sich in unserer schönen Stadt wirklich zu Hause fühlen könnten.

Bauwagen
Schon als Kind waren wir Fans dieser Wohnform, schließlich gehörte Löwenzahn mit Peter Lustig oder Guido Hammesfahr mit dem großartigen Bauwagen zum TV-Pflichtprogramm. Bauwagen in Berlin werden der linken Szene zugeordnet, die Gründer*innen in den 1980er Jahren waren zumeist ehemalige Hausbesetzer*innen. Bei den heutigen Bewohner*innen steht weniger der politische als der ökologische Aspekt im Vordergrund. In Wagendörfern wie in Karow, das als größtes Deutschland gilt, gibt es mittlerweile alles, was das soziale Leben braucht: KiTa, Bibliothek, Yoga-Studio, Fußballplatz und Internetcafé. Gemüse und Obst werden selbst angebaut, und alles andere gibt es in der Stadt. Denn trotz der Selbstversorgung und handwerklicher Nachbarschaftshilfe wohnen hier Berliner*innen, die am Stadtleben teilnehmen. Es ist ein kleines Familienparadies, denn jeder hat hier seinen eigenen Wagen (auch zum Aus-dem-Weg-gehen) und doch lebt man zusammen. Mit Vorurteilen muss man allerdings umgehen können, denn das Ansehen der Bewohner*innen wächst in der umliegenden Nachbarschaft nur langsam. Wenn dich jemand zu sehr stresst, lässt du dir deinen Bauwagen einfach woanders hinkarren. Allerdings wird aus Karow sicher kaum jemand fliehen, im Gegenteil, die Anfragen auf freie Plätze nehmen stetig zu.

Temporäres Wohnen
Wer meint, Arbeit ist sein Leben und die Work-Life-Balance wäre nur was für Weicheier, der kann im Alltag oder Rollberg von Vollgut auf Zeit wohnen. Nein, im Ernst: Die beiden herbergsähnlichen Wohnprojekte sind für temporäre Mieter*innen gedacht: „Menschen in einer Rehabilitationsphase, Gastprofessor*innen, vor Gewalt geflüchtete Mädchen und Frauen und Flüchtlinge aus Wohnheimen, Tourist*innen und andere“, werden in der Mitteilung der Vollgut KG angesprochen. Als vorübergehende Nutzer*innen werden also keineswegs Hipster anvisiert, die den Kiez eine Weile genießen und wieder von dannen ziehen. Nachhaltigkeit taucht als Schlagwort hier ebenso auf wie soziale Durchmischung. Die Stiftung, die das Rollberg-Areal in Neukölln erworben hat, steht jedenfalls dafür, Grundstücke vor Spekulant*innen zu retten.

Luxus
Die High-Socitey will auch in Berlin hoch hinaus. Ein russischer Investor hat das klar erkannt und will mit seinem Luxus-Turm am Alexanderplatz ein deutliches Wohnzeichen setzen. Alexander, ja so originell wird der Turm heißen, soll 150 Meter hoch werden, über 370 Wohnungen haben und gut 250 Millionen Euro bis zur Fertigstellung kosten. Spatenstich war 2019. Mal sehen, wann die gehobene Gesellschaft dort einziehen wird. Abgesehen davon: In Berlin hat ja so manches Bauvorhaben länger gebraucht, als von den Planern erhofft. Das bisher teuerste Apartment der Stadt soll für 25 Millionen Euro verkauft worden sein, allerdings ist über den Deal oder den Käufer nichts bekannt. Die Immobilie soll gut 1000 qm im Diplomatenpark geboten haben. Aktuell blätterst du für durchschnittlichen Luxus in zentraler Lage rund 6 Millionen Euro hin, wer mehr will landet schnell bei 11 Millionen Euro.

Hausboot
Im Sommer herrscht (abgesehen von den Mücken) auf dem Hausboot die reinste Idylle, im Winter ist gegen die Kälte kaum anzukommen. Diese Erfahrung teilen sich die Berliner*innen, die auf einem der etwa 70 Hausboote leben. Für die verankerten Wohnräume braucht man auch ansonsten Kraft und starke Nerven: Es gibt meist nicht viel Wohnfläche und die Natur sorgt ständig für neuen Renovierungsbedarf. Wer sich einmal für ein Hausboot entschieden hat, will aber selten zurück in feste vier Wände. Neu-Bootsbewohner*innen müssen zunächst an den Behörden in Berlin vorbei und die machen es selbst den Mit-allen-Wassern-Gewaschenen nicht leicht: Wer auf der Spree, Havel oder Dahme ansässig werden will, braucht eine Genehmigung, die wird mittlerweile nur noch vorübergehend ausgestellt, Dauerbewohner*innen will man nicht. Wie schnell es vorbei sein kann, mussten Hausboot-Bewohner*innen am Treptower Park erleben, denen 2013 der Steg gekündigt wurde… Ältere haben vielleicht für immer eine neue Heimat gefunden – wie die Glücklichen aus der Kolonie an der Tiergartenschleuse. Weitere Langzeitkolonien gibt es im Plötzenseer Kolk und in Spandau. Die Anlegestellen sind hier allerdings voll besetzt. Falls kein Liegeplatz zu finden ist, der genehmigt wird… solltest du mit dem Hausboot nach Amsterdam oder London auswandern. Da ist es viel einfacher, auf dem Wasser zu leben.

Hauswächter
Du wolltest schon immer mal in einer Schule wohnen? Oder du brauchst so hohe Decken, dass dir eine Kirche gerade gelegen kommt? Dann bist du genau richtig für den Hauswächterjob. Die Wohnräume, die zum Beispiel das Unternehmen Monoma oder der Verein HausHalten anbieten, sind oft beneidenswert großzügig geschnitten. Auf den Fluren kann man Skateboarden, im Treppenhaus allein mehrstimmig singen. Und das besonders günstig: Die Kosten liegen bei etwa 250 Euro Verwaltungsgebühren, die die Agenturen statt Miete monatlich einfordern. Der einzige Haken ist, dass man keinerlei Mietrechte hat. Wenn ein Käufer oder eine Investorin für das Objekt gefunden wurde, müssen die Hauswächter*innen innerhalb von 28 Tagen die Zimmer räumen. Dein Herz darfst du also nicht an ein Gebäude verschenken…