Wohnungsbau im Berliner Südwesten

Lichterfelde wächst über sich hinaus

Ein Massemodell zeigt Teile der geplanten Wohnbebauung der Parks Range.
Ein Massemodell zeigt Teile der geplanten Wohnbebauung der Parks Range.
Tief im Süden, wo einst die US-Soldaten trainierten, entsteht ein neues Viertel. Jahrelang wurde diskutiert – nun sollen 2500 Wohnungen gebaut werden.

In Lichterfelde-Süd entsteht ein neues Viertel, in bisherigen Plänen „Hybrid City“ genannt, das derzeit größte Wohnungsbauprojekt Berlins. Etwa 2500 Wohnungen sollen da geschaffen werden, auf der „Parks Range“, dem ehemaligen US-Truppenübungsplatz, der südlich der Thermometersiedlung an Brandenburg grenzt.

Nachdem die US-Truppen vor 20 Jahren abzogen, lag das 96-Hektar-Gelände weitestgehend brach. Da habe sich ein Landschaftsbild entwickelt, das der Natur vor 5000 Jahren gleicht, erklärt Umweltstadträtin Christa Markl-Vieto (Grüne). Der Bauunternehmer und Besitzer des Grundstücks, Klaus Groth, plant jetzt für 800 Millionen Euro die Randbebauung des Biotops. Am Dienstag hat das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf in einer Pressekonferenz den Masterplan vorgestellt – der wurde in einem städtebaulichen Workshop erarbeitet, den die „Freie Planungsgruppe Berlin GmbH“ organisiert hatte.

Acht Architekturbüros nahmen an dem mehrstufigen Verfahren teil; die elfköpfige Jury bestand aus dem Bezirksbürgermeister Norbert Kopp (CDU), Stadtrat für Stadtentwicklung Norbert Schmidt (CDU), Umweltstadträtin Christa Markl-Vieto (Grüne), dem Staatssekretär für Bauen und Wohnen Engelbert Lütke Daldrup, Vertretern des Bauunternehmens, der Leiterin des Stadtentwicklungsamtes Sabine Lappe, Andreas Rietz vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt-, und Raumforschung (BBSR) und weiteren Architekten.

Sie stimmten am Freitag für das Konzept von „Casanova + Hernandez Architects“.

Aktionsbündnis kritisiert das Bauvorhaben

Auf rund 39 Hektar soll Wohnfläche entstehen, wie ein nach unten geöffnetes Hufeisen nördlich an die restlichen 57 Hektar Grünfläche grenzen. Diese sollen dem Viertel als „grüne Mitte“ erhalten bleiben.

Berlin brauche neue Wohnungen, argumentierte Stadtrat Schmidt. „Tempelhof hat diese Erkenntnis nicht geändert, eher verstärkt.“ Lütke Daldrup stimmte zu: Der Wohnungsneubau sei das wichtigste Instrument, um steigenden Mieten zu begegnen. Im Entwurf sind sechs zehngeschossige Bauten vorgesehen, 25 Sechsgeschosser, hauptsächlich vierstöckige Gebäude, außerdem Doppel- und Reihenhäuser.

Aber es gibt Kritik. Einige Bürger haben das „Aktionsbündnis Landschaftspark Lichterfelde-Süd“ gegründet, sie erheben zum Beispiel den Vorwurf, die Planung verhindere eine soziale Stadtentwicklung, der neue Stadtteil sei kein Beitrag für mehr bezahlbaren Wohnraum.

Lütke Daldrup betonte, dass man ein „gemischtes Viertel“ aufbauen wolle. Es sei Priorität des Projekts, die neuen Bauten in das bestehende Umfeld zu integrieren. Im Norden des Quartiers soll Kleingewerbe entstehen, eine Schule und andere öffentliche Einrichtungen – die könnten von Thermometer- und Hybridsiedlung gleichermaßen genutzt werden. Laut Masterplan liegt der Anteil von Mietraum zum Wohneigentum bei eins zu eins. Mehr als 500 Wohnungen, so Lütke Daldrup, sollten dabei von kommunalen Wohnungsbaugesellschaften errichtet und vermietet werden, für durchschnittlich 6,50 Euro pro Quadratmeter netto und kalt. Beim Kauf könnte der Preis des Quadratmeters zwischen 3000 und 3500 Euro liegen, ergänzte Groth. Das habe man aber noch nicht genau kalkuliert.

Die Gebäude sollen – typologisch ganz gemischt – in sechs Quartieren gruppiert werden, jeweils um einen großen Marktplatz herum. Ein bis zu 35 Meter breiter „Bufferpark“, mit Spielplätzen gespickt, soll die Grenze bilden zwischen der belastbaren Wohn- und der empfindlichen Grünfläche, der „grünen Mitte“. Soweit wie möglich solle diese der Öffentlichkeit zugänglich sein, erklärt Stadträtin Markl-Vieto. „Dabei soweit wie nötig geschützt.“ Ein Konzept müsse man noch ausarbeiten. Markl-Vieto hofft, dass die Senatsverwaltung die Fläche zum Landschaftsschutzgebiet erklärt. Die Pferde, die bis jetzt auf dem Gelände weideten, sollen bleiben.

Bedenken wegen der Verkehrssituation

Derweil formulierte das Aktionsbündnis noch ganz andere Kritik, erwähnt in einer Pressemitteilung nicht nur den nötigen Naturschutz, auch die Verkehrssituation: „Der neue Stadtteil ist automobil jetzt nur über die Osdorfer Straße zu erschließen, die aber selbst nach bezirksamtlicher Auffassung schon heute bis zur Belastungsgrenze ausgereizt ist“, so die Kritiker.

Man wolle versuchen, ein autoarmes Quartier zu schaffen, entgegnete darauf Hildebrand Machleidt, Stadtplaner und Architekt, der im Vorfeld die Workshops moderierte. Im Norden gebe es Tiefgaragen, die Doppelhäuser hätten Garagen am Haus, die Reihenhäuser Carports. Dabei sei maximal ein Auto pro Wohnung vorgesehen. Für die Bewohner des zehnstöckigen Gebäudes sage der Schlüssel: 0,5 Autos pro Mietpartei. Außerdem könnten die Bewohner im Gewerbe- und Dienstleistungsbereich der Siedlung arbeiten. So müssten sie nicht pendeln, bräuchten gar kein Auto.

„Bahnlärm an der Schule“

Das Bündnis kritisiert weiter, dass die Grundschule im favorisierten Entwurf direkt an der Bahntrasse liegt. „Sobald auch noch der Flughafenshuttle fährt, werden einschließlich S-Bahn täglich circa 300 Züge an der Schule vorbei rollen.“ Auf diesen Kritikpunkt wissen Politiker und Planer noch nichts zu entgegnen. Man habe die Schule bewusst im soziokulturellen Zentrum des Quartiers geplant, nahe der S-Bahn. Nicht an den südlichen Siedlungszipfeln. Akustiker müssten den geplanten Schulstandort noch prüfen, räumte Stadtrat Schmidt ein.

Sowieso sei der Plan noch nicht in Stein gemeißelt. Das Land müsse Schmidt zufolge den Flächennutzungsplan ändern, dann soll kommendes Jahr erst das formale Bebauungsplanverfahren anlaufen – das basiert auf dem unverbindlichen Masterplan.

Es ist ein Ziel des Bauunternehmens, das neue Quartier in architektonischer Vielfalt zu entwickeln. Deshalb auch das Workshop-Verfahren: Alle Teilnehmer hätten hochwertige Entwürfe vorgelegt. Sämtliche eingebrachten Ideen könne man jetzt nutzen, erklärt Groth, anders als beim klassischen Architekturwettbewerb.

Klaus Groth rechnet damit, dass die Bauarbeiten im April 2016 beginnen.


Quelle: Der Tagesspiegel

Lichterfelde wächst über sich hinaus, Reaumurstraße 27C, 12207 Berlin

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