Das „Arkitip“ ist eines der teuersten Magazine in dem Geschäft. Seine beiden Inhaber sind auf ausgefallene Zeitschriften spezialisiert. Ende September 2008 eröffneten der Designer Marc Kiessling und die gelernte Buchhändlerin Jessica Reitz den Laden in Berlin-Mitte. „Wir haben uns gedacht, so ein Laden müsste doch in Berlin funktionieren. Und das tut es auch“, sagt Reitz. Keine Selbstverständlichkeit, ein gut laufender Zeitschriftenladen.
Gerade das Geschäft mit den Zeitschriften begann schnell unter der Krise zu leiden, die Werbeeinnahmen gingen stark zurück. 2009 gingen die Werbeaufwendungen bei Publikumszeitschriften im Vergleich zum Vorjahr um 308.000 Euro zurück. Der Verband der deutschen Zeitschriftenverleger (VDZ) verzeichne zwar seit einigen Jahren eine relativ stabile Gesamtauflage, sagt der Verbandssprecher Holger Busch, doch sie verteile sich seit einigen Jahren auf immer mehr Titel. Insgesamt gibt es in Deutschland etwa 2.250 Publikumszeitschriften.
Der Laden Do you read me?! in Mitte: Großes Sortiment an Nischenmagazinen
Im Regal von Do you read me?! stehen 600 bis 700 Titel. Den Schwerpunkt legen die beiden Inhaber auf Themen wie Mode, Design, Architektur, Kunst, Kultur und Fotografie. Die Zeitschriften kommen zu einem großen Teil aus Frankreich, Amerika oder England, etwa 80 Prozent der Magazine sind englischsprachig. Neben den exklusiven Magazinen aus den Bereichen Design und Architektur sind, quasi als Beiwerk, auch einige „ganz gewöhnliche“ Zeitschriften wie der „Spiegel“ zu haben, auch Zeitungen wie „Der Tagesspiegel“ und „Die Zeit“. Viele der Hefte sind Nischenmagazine mit geringer Auflage, die nur wenige Male im Jahr erscheinen.
Zeitschriften nur noch am Bildschirm zu lesen, das ist für die Designerin Natasa Butkovic unvorstellbar, sie seien schließlich einfach etwas Greifbares: „Ich lese lieber auf Papier.“ Sie kommt öfters bei Do you read me?! vorbei, schaut sich bei den Modetiteln um. Ob sie einen Titel kauft, hängt von verschiedenen Dingen ab: Von dem Konzeptbeispielsweise, nach dem bestimmte Themen visualisiert werden, auch vom Geruch. „Und die Haptik ist ganz wichtig.“ Die Magazine, die sie hier kaufe, seien eigentlich schon so etwas wie Bücher, „das sind Hefte, die werden archiviert.“
Der Laden Motto in Kreuzberg: Internet keine Bedrohung
Mehr Buch als kurzlebiges Heft, so würde auch Alexis Zavialoff die Magazine in seinem Geschäft „Motto“ beschreiben. In seinem Laden in einem Hinterhof an der Skalitzer Straße liegen die Zeitschriften in alten rot-braunen Holzschränken und Vitrinen aus. Der gebürtige Franzose sagt: „Ich habe diesen Raum gesehen, und dann kam die Idee.“ Als Fotograf hat er ein Faible für gute Bilder und schön gestaltete Hefte: „Zeitschriften sind sehr interessant, aber nicht diese monatlichen Hochglanzmagazine.“
Dass das Internet eine ernstzunehmende Bedrohung für die Ausgaben ist, die er vertreibt, bezweifelt er. Blogs seien schließlich für den Moment gedacht. Ein hochwertiges Magazin mit sorgfältig recherchierten Texten entstünden auf einer solideren Basis als nur einer spontanen Idee. „Die Magazine, die man hier findet, kann man auch noch in zehn Jahren lesen“, sagt Zavialoff und verweist auf ältere Ausgaben von „Foam“, „Gagarin“ oder „Texte zur Kunst“, die inzwischen zu Klassikern avanciert seien. „Bei mir gibt es alle verfügbaren Ausgaben dieser Zeitschriften.“
Ob man davon leben kann, ist eine andere Frage
Fast alle Magazine bei Do you read me?! und Motto haben eine längere Halbwertszeit als die üblichen Kioskmagazine. Das hat auch mit dem Preis zu tun. Mit 10 Euro liegt das Berliner Kultur- und Lifestylemagazin „032c“ noch im unteren Bereich. Viele Magazine kosten 30 Euro aufwärts, häufig erreichen sie den Status eines Sammelobjekts. So wird „Arkitip“ gekauft, wenn auch für 75 Euro.
Die Gewinnmargen bei Do you read me?! liegen zwischen 15 und 35 Prozent, beim gewöhnlichen Kiosk zwischen zehn und 15 Prozent. Billige Hefte allein können einen Zeitschriftenladen nicht finanzieren. „Es war alles in allem nicht die dümmste Idee, diesen Laden zu eröffnen“, so Jessica Reitz, „aber ob man auf die Dauer davon leben kann, ist eine andere Sache.“ Zumindest gibt es einen Anhaltspunkt: Ähnliche Geschäfte in München, Amsterdam, New York und Zürich funktionieren. In Berlin ziehen nicht selten auch Veranstaltungen potenzielle Kunden an, etwa die Modemesse Bread and Butter, die Fashion Week oder das Art Forum.
Zum Schmökern hat im September 2011 noch eine zweite Dependance eröffnet: der Reading Room. Zu finden ist der vom finnischen Möbeldesigner Artek kreierte Shop in der Potsdamer Straße 98.