Schon zu Beginn der Tour wird’s kurios-informativ: Wir stehen auf dem Pariser Platz und philosophieren über die notdürftige Toilettensituation in Berlin. In der einigermaßen nahe gelegenen Humboldt-Uni könne man gehen, auch die am Platz gelegene Akademie der Künste habe zugängliche Toiletten, weiß Tesche. Und sie weiß noch viel mehr: Der verhältnismäßig noch recht leere Platz ist so schön sauber, „weil er bei der BSR die Reinigungsklasse eins hat“. Allein das Tor wird dreimal täglich gesäubert. Unwillkürlich fragt man sich nach der Reinigungsstufe des eigenen Bezirks. Minus Einhundert für Neukölln?
Liebermann am Brandenburger Tor
Lange hängt man den eigenen Gedanken aber nicht nach, denn die gebürtige Saarländerin feuert eine Info nach der anderen ab. Sie hat Fakten zu jedem Gebäude am Platz, ihren Fokus setzt sie den Nachfragen entsprechend. Erst zitiert sie Max Liebermann: „Ich kann nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte.“, dann liefert sie Fakten zu dessen ehemaliger Wohnstädte zur Rechten vom Brandenburger Tor.
Es ist nicht wie im Geschichtsunterricht, ganz im Gegenteil, die altehrwürdigen Monumente werden lebendig und greifbar. Das gilt auch für die Neubauten im Regierungsviertel. Man erfährt, dass das Jakob-Kaiser-Haus mit rund 720 Millionen Euro Baukosten der teuerste Verwaltungsneubau der BRD ist.
Ausbildungsberuf: Stadtführerin
Unterwegs erzählt Elke Tesche, dass sie ausgebildete Stadtführerin ist. Man staunt nicht schlecht, dass es das überhaupt gibt – eine Ausbildung als Stadtführerin. Kunden hatte sie schon viele – von Senioren-Vereinen bis hin zu Schulklassen und Liebespaaren war alles schon dabei. Spannend seien die unterschiedlichen Dynamiken der Gruppen: Gerade jüngere Schulklassen fragten noch so herrlich naiv und ohne Scham – oder Wissen: Erst letztens musste sie auf ihrer alten Berlinkarte erklären, was denn die Sowjetunion sei.
Die Tour macht einen weiteren Halt am Holocaust-Mahnmal. Auf einem Stein sitzend, hört man Schreie von Schulklassen, die sich im Wirrwarr der Stelen gegenseitig erschrecken. Und tatsächlich. Der Schrecken ist hier allgegenwärtig. „Durch die 95 cm breiten Gänge können sie nur alleine gehen“. Im Wirrwarr der Betonklötze erzeugt das ein Gefühl von Einsamkeit und Verlorenheit.
Auf dem Nach-Hause-Weg sacken die Infos. In pathetischer Stimmung wird man sich mit Nachdruck gewahr, in was für einer fantastischen und bedeutsamen Stadt man lebt. An der Rolltreppe angekommen verstopfen Touris den Durchgang. NERV! Alles klar, der Seitenwechsel ging schneller als erwartet. Aber so ist der Berliner – und ja: DAS dürfen auch Zugezogene für sich beanspruchen – nun mal.
Alle Touren, Preise und Infos gibt’s hier.
„Elke Tesches Stadtführungen bei „Kreuz und Quer Berlin“ sind deshalb so toll, weil sie sich von stark durchkommerzialisierten Normalo-Touren unterscheiden. Wenn sich mal wieder elterlicher Besuch ankündigt, werde ich diesen guten Gewissens für zwei Stunden bei Elke parken.“