Wie ein Kiez sollte es werden, ein Ort, an dem es alles gibt – das war der Plan von Karl-Heinz Pepper, dem Bauherrn des Europa-Centers. Ob der Bau heute noch zeitgemäß sei? „Jein“, antwortet der Architekt Ivan Krusnik, der 40 Jahre lang Berlins erstes Shopping-Center mitgestaltet hat. Aber es passe zum derzeitigen Vintage-Trend. An diesem Tag steht er mit Comedian Hans Werner Olm, dem Journalisten Ulli Zelle oder dem DJ Mijk van Dijk in der Puro-Lounge im 20. Stock des Europa-Centers. Sie alle können eine eigene Geschichte zu dem Betonbau erzählen.
Architekt Krusnik berichtet von „Windfressern“, Eisenkonstruktionen, die in den späten 60er Jahren etwas gegen das Wetter rund ums Europa-Center ausrichten sollten, „die aber leider nicht viel gebracht haben“, wie er eingesteht. Auch von weiteren Pannen weiß er zu berichten: von einer archimedischen Spirale, bei der sich auf das Kommando „Wasser Marsch!“ gar nichts bewegte und von Ratten, die sich im Keller des Gebäudes eingenistet und bis in den 14. Stock vorgekämpft hatten, um dort den Teppich des Prinzen Michael von Anhalt anzuknabbern. Auch die bunten Kronleuchter im Center-Inneren wären eigentlich nicht eingeplant, sondern Folge einer Fehllieferung gewesen. Ursprünglich hatte das Team weiße Glasleuchter bestellt. „Ich habe mich daran gewöhnt, aber viele Besucher finden sie scheußlich“, so Krusnik.
Weltstadt, Treffpunkt und Rätsel seit fünf Dekaden
Alles andere als scheußlich sind die Geschichten, die den meisten beim Gedanken an das Europa-Center durch den Kopf gehen. Hans-Werner Olm erinnert sich etwa an die legendäre Eislaufbahn auf dem Breitscheidplatz als tolle Kontaktbörse, Mijk van Dijk kaufte hier Platten und lobt die Tonqualität des Ku’damms zu Zeiten der Loveparade gegenüber der Straße des 17. Juni. Ulli Zelle gibt zu: „Europa-Center, das war für mich als kleiner Junge aus Niedersachsen Weltstadt“. Und noch eins gesteht der Moderator des rbb: „Die Mengenlehre-Uhr wird für mich immer ein Rätsel bleiben.“
Muss sie nicht, denn auch das Geheimnis um die Uhr wird in dem Buch zum 50. Geburtstag gelüftet. Außerdem gibt es darin die Geschichte des Centers von der Grundsteinlegung im Jahr 1963 an zu lesen, es erzählt von Kinos, Kunst und dem Wasserklops am Europa-Center, von den Menschen, für die es im November 1989 erste Anlaufstelle und Schlafplatz war und von Skateboardern und Stars vor Ort. Das Spannendste sind aber die kleinen Geschichten und Anekdoten. Wie die des Postzustellers Wolfgang Giese-Miezal, der seit über 20 Jahren täglich alle Büro- und Ladentüren abläuft, weil es im Gebäude keine Briefkästen gibt.
Jung wie nie, auch durch Madonna
Am liebsten erzählt der Postmann vom 30. Geburtstag des Centers, bei dem drei Elefanten unfreiwillig in der Eingangshalle landeten und laut trompetend ihre Glückwünsche kundtaten. Obwohl er das Haus wie seine Westentasche kennt, übe ein Ort darin noch immer eine besondere Faszination auf ihn aus: der nicht öffentlich zugängliche Platz direkt unter dem Dach. „Da kommt ja kaum noch jemand hin. Zwei mal konnte ich raus, 1997 und 2011“, erzählt Giese-Miezal – beide Male natürlich in Begleitung des Wachschutzes und mit Erlaubnis von Center-Manager Uwe Timm.