Besichtigungstour

Die "Stalinallee"

Die Gebäude der Stalinallee wurden im Stil des Sozialistischen Realismus errichtet.
Die Gebäude der Stalinallee wurden im Stil des Sozialistischen Realismus errichtet.
Mitten in Friedrichshain steht Deutschlands größtes Baudenkmal. Die monumentalen Gebäude an der Karl Marx Alle - die zwischen 1949 und 1961 Stalinallee hieß - wurden Anfang der 50er Jahre im Stil des "Sozialistischen Realismus" errichtet und stellten ein Prestigeprojekt des Wohnungsbaus in der DDR dar. Noch heute werden sie von führenden Architekten als bauwerkliche Meisterleistung gelobt. QIEZ hat an einer Führung teilgenommen und ein paar Eindrücke mitgebracht.

Ein sonniger Spätsommertag an der Warschauer Brücke. Hier beginnt der Rundgang zur Besichtigung der sozialistischen Prachtbauten an der Karl Marx Allee. Michael Voigtländer vom „Büro für Industriekultur Berlin“ hat diesen Treffpunkt bewusst gewählt, da sich die Anfänge des Bauprojekts „Stalinallee“ nicht etwa auf der großen Verkehrsachse zwischen Strausberger Platz und Frankfurter Tor befinden, sondern hinter den gewaltigen Gebäudekomplexen, an der nahe gelegenen Weberwiese. Rund um den Park stehen Bauwerke zweier Architekturströmungen, die nach dem Zweiten Weltkrieg das Problem der großen Wohnungsnot lösen sollten: die sogenannten „Laubenganghäuser“ und die Häuser im Stil des „Sozialistischen Realismus“.

Hochhaus an der Weberwiese

Die Laubenganghäuser sind im Rahmen des von Hans Scharoun ins Leben gerufenen „Kollektivplans“ entstanden, ein Konzept, das eine völlige Neugestaltung des Berliner Stadtgebiets nach dem Krieg vorsah: Verschiedene Areale sollten aufgelockert und Zwischenräume mit Grünflächen bepflanzt werden. Die symmetrisch angelegten Häuser, auch „Wohnzellen“ genannt, waren als moderne Antwort auf den Wohnraummangel geplant und sollten Form mit Funktion verbinden. Anfang der 50er Jahre wurde der Kollektivplan jedoch außer Kraft gesetzt, da er als westlich dekadent, unpersönlich und bourgeoise galt. Vor die bereits entstanden Häuser zwischen Weberwiese und Stalinallee wurden Pappeln gepflanzt und ihre Fassaden somit kaschiert.

Mit Gründung der DDR und dem Aufbau des Sozialismus in Ostdeutschland rückte ein neues Baukonzept in den Fokus der zeitgenössischen Stadtplanung. Nach Vorbild der in Moskau und Warschau entstandenen Monumentalbauten im Stil des Sozialistischen Realismus wurde 1952 in unmittelbarer Nähe der Laubenganghäuser das von Hermann Henselmann entworfene „Hochhaus an der Weberwiese“ errichtet. Die Gestaltung des Gebäudes, dessen Korpus sich aus feingliedrigen, rippenartigen Elementen und hochwertigen weißen Keramikplatten aus der Meißner Porzellan-Manufaktur zusammensetzt, sollte den Baustil der gesamten Stalinallee nachhaltig prägen. Ein Architektenkollektiv, bestehend aus Henselmann, Richard Paulick, Hans Hopp, Karl Sourandy und Kurt W. Leucht, entwarf den endgültigen Bauplan für die Allee, die symbolische Grundsteinlegung erfolgte im Februar 1952 durch Otto Grotewohl, den Ministerpräsidenten der DDR. Alle Bauten wiesen nach ihrer Fertigstellung ähnliche Stilelemente wie Henselmanns Hochhaus an der Weberwiese auf: angedeutete ionische Säulen, Friese und andere Ornamentik.

Kein Zuckerbäckerstil

Die Repräsentativbauten der ehemaligen Stalinallee setzen sich aus insgesamt fünf gewaltigen Wohnblöcken zusammen und erstrecken sich über zwei Kilometer schnurgerade in Richtung Alexanderplatz. Zu Zeiten des Kommunismus waren sie als „Arbeiterpaläste“ konzipiert, heute sind sie Deutschlands größtes Baudenkmal. Die bekanntesten Gebäude, die Hochhäuser am Frankfurter Tor, stammen von Henselmann. Vor allem die Türme der Eckhäuser, deren Dachkonstruktionen an die Kuppeln des Deutschen und Französischen Doms am Gendarmenmarkt angelehnt sind, prägen das Bild der Karl Marx Allee. „Irrtümlicherweise wird diese Art der Architektur durchweg als ‚Zuckerbäckerstil‘ bezeichnet“, merkt Voigtländer an. „Dabei weisen die Gebäude keinesfalls die typischen Merkmale dieser Form des Sozialistischen Realismus auf“. Laut Voigtländer fehlen die verspielten Statuen auf den Dächern, die Gebäuden wie dem Warschauer Kulturpalast oder dem Hotel Ukraina in Moskau das Aussehen einer Hochzeitstorte verleihen.

Die "Stalinallee", Karl-Marx-Allee, 10243 Berlin

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