Leider ist das Flying Fish Sushi in der Eisenacher Straße noch nicht geöffnet. So bleibt uns nur der sehnsüchtige Blick in den dunklen Raum. Sonst lässt sich Maeckes, Mitglied der Hip-Hop-Gruppe Die Orsons, dort gerne je nach Größe seines Hungers was zusammenstellen. Der Sushi-Chef hat freie Wahl. „Der weiß, was ich mag“. Der Rapper hat aber schon den nächsten Spot im Kopf und so machen wir uns auf zum Café Bilderbuch (Akazienstraße). Hier umgibt einen gemütliches Kaffeehaus-Flair mit einladenden Sofas – fast wie im eigenen Wohnzimmer.
Schöneberg ist Maeckes‚ (bürgerlich Markus Winter) Rückzugsort, schließlich hat er sich ganz bewusst dazu entschieden, nicht nach Kreuzberg oder Neukölln zu ziehen. Viel Zeit zum Durchatmen hat der 34-Jährige gerade aber nicht. Denn der Release seines zweiten Soloalbums Tilt steht kurz bevor.
Schon seit gut drei Jahren wohnt der Österreicher, der in Stuttgart groß geworden ist, in Berlin. Bei einem Cappuccino erinnert er sich an seine Anfänge. Seine erste Anlaufstelle war Friedrichshain. Schwaben-Bashing hat er aber nie erlebt, weil er relativ hochdeutsch groß geworden ist. Im unausweichlichen Vergleich schneidet Berlin sehr gut bei ihm ab. „Hier gibt es ja fast alles. Nur beim Bäcker gibt es einen Unterschied: Die machen das Laugengebäck anders.“ Mit nächtlichen Spätzlegelüsten hat Maeckes aber nicht zu kämpfen. Sein ultimativer Essenstipp für österreichische Küche wäre der Heurige Gustav am Nollendorfplatz gewesen. „Der hat zugemacht und das ist todestraurig.“ In Schöneberg gibt es aber den Top-Koreaner Ixthy– „mit einem Weltklasse Bibimbap“.
Kulinarisch fühlt sich Maeckes also schon pudelwohl und ist angekommen. Nur das mit dem Studio in Berlin muss er noch regeln. Über drei Jahre arbeitete er an Tilt und zog dafür in der Stadt von Ort zu Ort. „Ich war ein Studio-Nomade“, scherzt der Musiker, der 2010 mit dem Song Graustufenregenbogen erstmals solo kommerziellen Erfolg feiern konnte. Eine Station war für einen Monat der Flughafen Tempelhof, um die Gitarren-Parts aufzunehmen. Danach konnte er das Aufnahmestudio der befreundeten Band ABBY in Kreuzberg nutzen.
Warum eigentlich Tilt? „Es ist ein Begriff, der beim Pokern verwendet wird, wenn ein Spieler irrational handelt. Oder aber wenn beim Flipperzocken ein Spieler zu stark dagegen hämmert, dann funktionieren die Flipperhebel nicht mehr. Plötzlich nicht mehr handeln zu können und dann wie der Pokerspieler wahnsinnig zu werden oder wie der Flipperspieler zu stagnieren, das steckt im Album thematisch drin.“
Wir durften schon reinhören. Ihr bekommt eingängige und nervtreffende Sätze wie „mein Inneres ist nur ein weiteres Äußeres“ zu hören und Beats zum Kopfnicken. Außerdem gibt es Sarkastisches, Melancholisches und eine schöne Bildsprache.
Schon seit zehn Jahren macht Maeckes Musik. Als wir an einem Plattenladen vorbeikommen, stöbert er durch die Auslage. Sehr viel Klassik steht zur Auswahl. „Das hebe ich mir für eine spätere Zeit in meinem Leben auf. Es gibt aber ein Stück von Rachmaninoff, das höre ich alle zwei Wochen.“ Wenn er nicht gerade aufnimmt oder auf Festivals mit den Orsons unterwegs ist, spielt er auch schon mal Gitarrenkonzerte und fährt durch die Lande. Dann aber gerne schick mit Anzug.
Neben der Musik hat er das Videodrehen für sich entdeckt. So produzierte er für die Berliner Sängerin Balbina zwei Musikvideos und auch die letzten drei Orsons-Videos gehen auf sein Konto, genau wie die aktuellen für Tilt. „Es war wie ein VHS-Abendkurs, den ich mir selber auferlegt habe“, beschreibt Maeckes seine intensive Auseinandersetzung mit dem Medium Film. Dabei ging auch einiges schief. Beim Dreh für das Orsons-Video Ventilator stürzte er vom Pferd. Er zog sich zwei Platzwunden zu und war sofort bewusstlos. Erst im Krankenhaus kam er wieder zu sich. Eine Drohne hatte die Szene aufgenommen. Da es die einzige Aufnahme war, ist der Sturz im Musikvideo für immer festgehalten.
Und wo geht er hin, wenn er einfach feiern gehen will? Da verschlägt es Maeckes schon mal in die Panke im Wedding. Bei Hip-Hop-Beats und Funk macht ihm das Tanzen mehr Spaß als im Techno-Club. Auch ins Café Warschau am Hermannplatz geht er gerne. „Eine richtige Dreckskneipe, aber eine schöne!“ Sein Geheimtipp: Wer sich gut mit der Wirtin versteht, kann dort sogar für einen Euro Eintritt eine Fotoausstellung im Keller angucken.
Unser Weg führt nicht in den Keller, sondern zur evangelischen Apostel-Paulus-Kirche. Als gebürtiger Österreicher ist Maeckes katholisch erzogen worden, jetzt ist er nicht mehr gläubig. Trotzdem zieht es ihn hierher, um sich eine kleine Auszeit zu verschaffen. Ab November geht es wieder auf Tour. Seine Pläne danach? Vielleicht das Buch Sieben Sekunden von Don DeLillo lesen, das vorerst wieder im Regal gelandet ist.
Das neue Album „Tilt“ von Maeckes erscheint am 21. Oktober 2016 und ist überall erhältlich, wo es Musik zu kaufen gibt. In Berlin ist Maeckes live am 6.12. im Columbia Theater zu sehen.