Wir treffen Carsten Regel vor der Haustür von David Bowie. Als der Weltstar in der Hauptstraße 155 lebte, war Carsten gerade 10 Jahre alt. „Bowie ist natürlich etwas, worauf du als Berliner knallhart stolz sein kannst“, sagt er heute. Eines habe er auch mit Bowie gemeinsam – genauso wie mit weiteren Schöneberger Promis. Helmut Newton, Hildegard Knef, Marlene Dietrich und Albert Einstein zum Beispiel. „Die mussten alle gegen den Strom schwimmen und sich am Ende durchsetzen“, erklärt der Berliner Junge. Und ergänzt, dass er auf individuelle Konzepte steht. Darauf, etwas anders zu machen als der Rest.
Das ist es auch, was Carsten am Fashion Café Dudu mag – einem Café, in dem die Verkäuferin neben selbstgemachter Feigentorte auch ihre eigene Mode verkauft. Von dort aus sind es nur wenige Minuten zu Dodo Beach, wo Carsten regelmäßig seine Plattensammlung erweitert. Bisher hat er zwischen 500 und 600 Scheiben. Die Specials, Depeche Mode, The Smiths und die Sleaford Mods gehören zu seinen Lieblingsbands. Und Rod Steward, beichtet der Musikliebhaber, als wir nach einem schmutzigen musikalischen Geheimnis fragen.
Diese Leidenschaft war es auch, die Carsten in den 80ern für zehn Jahre nach Hamburg gebracht hat. Ursprünglich, um als Musikredakteur zu arbeiten. Heute blickt der 50-Jährige auf viele Jobs zurück. „Ich gehe gerne danach, was mich persönlich anballert“, erklärt er. Er war Redakteur bei BravoTV, in Film- und Musikmagazinen, hat Videoclips gedreht, Filmtechnik geschleppt und immer wieder Clubs in Hamburg betrieben; „Rock’n’Roll Wohnzimmer“ nennt Carsten sie selbst. Locations, in denen der Abend mit Smalltalk auf dem Sofa anfängt und mit Gin Tonic auf der Tanzfläche endet. So ein Laden ist auch die von ihm erfundene Szene-Kneipe Muschi Obermaier – das erste coole Ding auf der heute so hippen Torstraße und ein echtes Original.
Endlich Schluss mit „frauenaffin“
Außerdem ist Carsten Autor. In seinem ersten Roman Hosen runter hat er sich an ein Thema gewagt, das die Welt bewegt: Die Beziehung zwischen Mann und Frau. Er erzählt aus der Perspektive der Männer, aber als Unterhaltung für beide Geschlechter. Carsten formuliert es so: „Die letzten 20 Jahre waren frauenaffin. Die Stimme der Männer hört man in diesem ‚Artenschutzprogramm‘ zu selten. Ich will dem was entgegensetzen.“
Darum läuft seit dem 12. Mai sein erster – teils durch Crowdinvesting finanzierter – Film Wie Männer über Frauen reden im Kino. Eine authentische Komödie über das Liebesleben einer Kreuzberger Clique. „Das Publikum soll denken: Mein Freund und mein Kollege, das sind genau dieselben Pfeifen!“ Auf der Leinwand werden sie verkörpert durch Frederick Lau, Barnaby Metschurat, Kida Khodr Ramadan und Ellenie Salvo Gonzales. Carstens absolute Wunsch-Besetzung ist aber Oliver Korittke. „Ich habe seine Rolle so geschrieben, dass er möglichst darauf anspringt“, verrät der Drehbuchautor. Und warum der Beziehungskram?
„In dem Verhältnis, das Männer und Frauen zueinander haben, steckt alles drin, was man über die Welt wissen muss“, sagt Carsten. Und er hat herausgefunden, dass er die Menschheit ziemlich gut erklären kann, indem er Männergruppen durch die Großstadt stolpern lässt.
Das wirklich spannende an der Komödie, so Carsten, ist aber die Beziehung zwischen einem DJ, der nicht erwachsen werden kann, und seinem Sohn, der nach der großen Liebe sucht (Oliver Korittke und Frederick Lau). „Im Schweiger– oder Schweighöfer-Film müsste der Vater die Verantwortung für ein muckeliges Kind übernehmen und so zum vollwertigen Mann werden. Das ist kitschig. Die Gesellschaft widerspiegelt sich eher in der Story, die wir haben“, findet er. Hauptsache anders eben.
Carsten selbst ist übrigens weder Vater noch in einer Beziehung. Und ganz froh, dass er außerhalb von der Arbeit im Club oder am Autoren-Tisch weder im gehypten Mitte noch im provinziell aufgeregten Prenzlauer Berg unterwegs ist. „Ich bin keine 25 mehr. Mich interessiert dieses hippe Geschrei nicht.“
Stattdessen kauft Carsten im Bücherberg schon mal Fachliteratur über die moderne Gesellschaft und schwärmt von den Restaurants entlang der Akazienstraße, in der man vor allem zur Mittagszeit richtig gut und trotzdem günstig essen könne. Zum Beispiel im Toronto, in der Feinbäckerei (super Wiener Schnitzel) oder im Gottlob, wo wir uns eine große Portion Schnitzel und Panna Cotta schmecken lassen. Und wenn er von der Stadt genug hat, fährt Carsten mit dem Rad ins Grüne. Nach Teltow oder ins südlichen Steglitz – wo er übrigens aufgewachsen ist. Damals, als David Bowie sich längst in Schöneberg verliebt hatte.